viernes, 19 de octubre de 2012

Online-Aktivist Michael Anti: "Chinas Netz ist nur so frei, wie die Partei es ... - Spiegel Online

Michael Anti, Geburtsname Jing Zhao, ist der wohl bedeutendste regimekritische Blogger Chinas. Der 1975 in der Provinz Nanjing geborene Online-Aktivist arbeitete unter anderem in den Pekinger Korrespondentenbros von "New York Times" und "Washington Post" und trat als Gastredner bei der TED-Konferenz auf. International bekannt wurde er 2005, als Microsoft auf Wunsch der chinesischen Regierung sein Blog lschte.

SPIEGEL ONLINE: Herr Anti, die chinesische Regierung hat die Internetzensur zuletzt verschrft. Dennoch sind Seiten wie das Twitter-Pendant Weibo voller politischer News und Gerchte. Verliert Peking die Kontrolle ber das Internet?

Anti: Nein. Der Traum von der Cyberrevolution in China ist westliches Wunschdenken. Weibo und andere Mikroblogs haben die politische Berichterstattung sicher zum Besseren verndert und Brgern neue Freirume verschafft. Doch die Zentralregierung hat nach wie vor die volle Kontrolle.

SPIEGEL ONLINE: Gelangt nicht immer wieder Verbotenes ins Netz? Die Online-Berichterstattung ber den gestrzten Polit-berflieger Bo Xilai etwa wurde im April strikt unterbunden. Seit einigen Tagen aber finden sich ber ihn wieder Suchergebnisse im chinesischen Web - obwohl das Verbot nie aufgehoben wurde.

Anti: Bo ist inzwischen offiziell aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden und muss sich vor Gericht wegen angeblichen Amtsmissbrauchs und Bestechung verantworten. Er ist zum Abschuss freigegeben - was Web-Dienste wie Weibo ausnutzen. Das Risiko, fr Berichte ber Bo bestraft zu werden, ist gering. Zumindest so lange, wie sie nicht das Vorgehen der Regierung in dem Fall kritisieren.

SPIEGEL ONLINE: Die chinesische Regierung toleriert also kritische Online-Berichte, solange diese ihren Zwecken nutzen?

Anti: Mehr noch, die Zentralregierung instrumentalisiert das Web, um Druck auf unbequeme Provinzfrsten auszuben. Europische und amerikanische Medien berichten viel ber die chinesische Internetzensur. Dabei ist es viel interessanter zu analysieren, welche brisanten Nachrichten nicht zensiert werden - und welche politische Taktik dahinter steckt.

SPIEGEL ONLINE: Ein Beispiel, bitte.

Anti: Zwischen Februar und April wurden Enthllungen in der Affre um Bo Xilai frei ber Weibo verbreitet. Beobachtern galt das schon damals als Zeichen dafr, dass er den Schutz der Partei verliert und sich seine Karriere dem Ende neigt.

SPIEGEL ONLINE: Was wird noch nicht zensiert?

Anti: Auf Weibo gibt es regelmig Enthllungen ber lokale Korruptions- und Lebensmittelskandale. Es gab etwa den Fall von Yang Dacai, einem hochrangigen Funktionr in der Provinz Shaanxi. Auf Weibo kursierten eine Reihe Fotos, auf denen er teure Armbanduhren trgt, insgesamt gut ein halbes Dutzend protzige Modelle. Internetnutzer warfen ihm Korruption vor. Mitte September wurde bekannt, dass er von der KP geschasst wurde.

SPIEGEL ONLINE: Die Zentralregierung nutzt also das Netz, um die Massen zu mobilisieren?

Anti: Ja, und sie bedient sich dabei einer altbewhrten Strategie. Schon Mao hetzte Mitte der sechziger Jahre Studenten gegen das bestehende System auf. Heute lsst Peking den Massen Graubereiche im Internet, um Missstnde in den Provinzen zu beseitigen. Wohlgemerkt nur, wenn die Zentralregierung an deren Aufklrung selbst ein Interesse hat. Angriffe gegen das Machtzentrum der Partei dagegen werden konsequent unterbunden. Chinas Internet ist nur so frei, wie die Partei es will.

SPIEGEL ONLINE: Wie kontrolliert die Zentralregierung das Internet?

Anti: Die Server fr Mikroblogs und andere soziale Netzwerke stehen allesamt in Peking. Nur dort bekommen Internetfirmen seit 2009 noch eine entsprechende Lizenz. Wenn ein Provinzfrst etwas aus dem Netz lschen will, muss er in Peking anrufen - oder einem Funktionr der zentralen Zensurbehrde grozgige Geschenke machen. Die Zentralregierung hat die volle Kontrolle ber die relevanten Server.

SPIEGEL ONLINE: Besteht nicht dennoch die Gefahr, dass die Diskurse sich verselbstndigen - und sich letztlich auch gegen Peking richten?

Anti: Es gibt in der Geschichte des chinesischen Internets nur einen einzigen Fall, in dem die Regierung berhaupt fr einen kurzen Augenblick Gefahr lief, die Kontrolle ber die Diskussion im Netz zu verlieren: Ende Mrz kursierten im Netz Gerchte ber einen Staatsstreich in Peking. Dienste wie Weibo wurden fr einige Tage weitgehend geblockt. Netznutzer, die die Gerchte weiterverbreitet hatten, wurden festgesetzt. Das harte Durchgreifen war ein deutliches Signal: Haltet euch an die Zensurregeln - sonst steht eure Existenz auf dem Spiel. Bislang haben sich die Web-Riesen daran gehalten.

SPIEGEL ONLINE: Die Chancen, dass das Internet eine Demokratiebewegung in Gang setzt, stehen also schlecht?

Anti: Ja. In China regiert der Pragmatismus. Die allermeisten Chinesen, selbst diejenigen, die die Internetzensur umgehen knnen, halten sich an die Regeln, um die eigene Karriere nicht zu gefhrden. Selbst fr viele chinesische Verfechter einer freien Gesellschaft liegt Demokratie hinter einer verschlossenen Tr. Sie knnen sich nicht vorstellen, was dahinter liegt. Und sie versuchen gar nicht erst, das Schloss aufzubrechen.

SPIEGEL ONLINE: Was wrde passieren, wenn es pltzlich keine Internetzensur mehr gbe?

Anti: Hunderte Millionen Menschen mssten lernen, dass die Geschichtsdeutung, die sie in der Schule gelernt haben, eine Lge ist. Ihr Vertrauen in die Regierung wrde fundamental erschttert. Es wre das Ende der kommunistischen Partei.

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