martes, 11 de junio de 2013

Jeder dritte deutsche Agent hat kein Internet - DIE WELT

Michael Neuner ist "Beschaffer" im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er arbeitet in der siebenstöckigen Behördenzentrale im Norden von Köln. Der Bau ist aus den 80er-Jahren, aus einer Zeit als das Internet noch revolutionär und Digitalisierung ein Fremdwort aus ferner Zukunft war.

Für Neuner, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, ist diese Technik bis heute ein Versprechen geblieben. Wenn er Informationen über Extremisten besorgen soll, muss er sich oft auf analoge Quellen stützen. "Eigentlich bräuchte ich einen Internetanschluss, um schnell etwas überprüfen zu können", sagt der 42-Jährige. "Das wäre für Basis-Recherchen sicher hilfreich."

Der technische Rückstand der deutschen Behörden steht in krassem Gegensatz zu den Möglichkeiten der amerikanischen Sicherheitsdienste, deren umfassende Datensammelwut gerade eine Debatte in den USA ausgelöst hat. Denn eine Ausnahme ist Neuner innerhalb seiner Behörde nicht. Er gehört zu einer Gruppe von Mitarbeitern, die an ihrem Arbeitsplatz "offline" sind, obwohl das weltweite Netz bereits seit mehr als einem Jahrzehnt zur Grundausstattung zählt.

Dass gerade der Verfassungsschutz der Zeit so weit hinterherhinkt, fügt sich in das fatale Bild, das mittlerweile viele von ihm gewonnen haben. Der Verfassungsschutz – ein anachronistischer Haufen, ein Verein von Schlafmützen.

Internet Schlüssel für Extremisten

Dabei ist das Internet längst das "Schlüsselmedium der Kommunikation" für Extremisten jeglicher Couleur, wie das Bundesamt auf seiner Internetseite richtig anmerkt. Rechtsextremisten bloggen, Islamisten verbreiten Anleitungen zum Bombenbau, Linksextremisten prahlen mit Sabotage-Anschlägen.

Sicherheitsbehörden, die mit diesen Entwicklungen nicht Schritt halten können, weil ihnen die nötige Ausrüstung fehlt, können ihren Auftrag nur schwer erfüllen: die Gewährleistung der Sicherheit. Der Ausbau der Internetkompetenz ist deswegen ein wichtiges Vorhaben bei der Reform des Verfassungsschutzes.

Die Behördenspitze um Präsident Hans-Georg Maaßen will den Inlandsnachrichtendienst moderner und effizienter machen. Was selbstverständlich klingt, könnte ein ambitioniertes Projekt werden: Nach Recherchen der "Welt am Sonntag" hat jeder Dritte der insgesamt 2800 Verfassungsschützer des Bundesamtes keinen dienstlichen Anschluss an das Internet. Dabei handelt es sich um Beschaffer, Sachbearbeiter und Verwaltungsangestellte.

Offiziell versucht die Hausleitung, das Problem klein zu reden. "Nicht jeder Mitarbeiter braucht für seine Tätigkeit einen Zugang zum Internet", sagte Maaßen der "Welt am Sonntag". "Dennoch wird es immer wichtiger für unsere Arbeit." Der Jurist will nun endlich nachrüsten. Seine Mitarbeiter klagen seit Langen über einen untragbaren "Modernisierungsstau". Das 1950 gegründete Bundesamt war bislang alles andere als die Spitze des Fortschritts der deutschen Bürokratie, die ohnehin einen hohen Modernisierungsbedarf hat.

Beschaffer teilen sich Internet-Anschluss

Seit Jahren müssen sich mehrere Beschaffer im Bundesamt einen Internetanschluss teilen, was ihre Arbeit erschwert. Denn eigentlich sollen sie alle nachrichtlichen Mittel nutzen, vor allem auch die technischen.

Offensichtlich findet Maaßen mit seinem Anliegen auch Gehör bei der Bundesregierung. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" bekommt sein Amt ab diesem Jahr jährlich drei Millionen Euro zusätzlich für IT-Technik. Nicht genug, aber immerhin: Über die Mittel für 2014 werden noch Gespräche mit dem Haus von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geführt, der die Digitalisierung unterstützt.

Der Haushalt ist als "geheim" eingestuft und läuft über das Vertrauensgremium des Bundestages. Maaßen kämpft dafür, dass der Gesamtetat für das Bundesamt erhöht wird. Im vergangenen Jahr betrug er rund 190 Millionen Euro.

An Rückenwind aus dem Bundestag fehlt es den Verfassungsschützern nicht. "Herr Maaßen muss gemeinsam mit jüngeren Mitarbeitern eine neue Behördenkultur schaffen", sagte CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl der "Welt am Sonntag": "Und klar ist auch: Eine Reform des Verfassungsschutzes gibt es nicht zum Nulltarif."

Bosbach fordert mehr Gelder im Haushalt

Der Innenausschuss-Vorsitzende im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), fordert zusätzliche Gelder im Haushalt 2014: "Das Bundesamt muss mit den neuesten technischen Entwicklungen Schritt halten, sonst gibt es gravierende Defizite bei der Informationsbeschaffung und Gefahrenabwehr."

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangt mehr Geld für den Verfassungsschutz. "Es wäre ein echter Skandal, wenn jetzt irgendwelche Pfennigfuchser den fälligen Neustart beim Verfassungsschutz abbremsen", sagt Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Jede Sicherheitsbehörde könne nur so gut arbeiten, wie die Mittel, die ihr zur Verfügung gestellt würden.

Demnach muss es um den Verfassungsschutz schlecht bestellt sein. Denn der Investitionsstau ist gigantisch: IT-Technik wird aus Sicherheitsgründen gekauft, nicht geleast. Zudem müssten in der Kölner Zentrale an der Merianstraße erst einmal neue Leitungen gelegt werden. Dort gibt es wie bei den anderen Sicherheitsbehörden zwei Computernetze, die voneinander getrennt sind. Diese doppelte Infrastruktur macht es komplizierter und erhöht die Kosten.

Allerdings gibt es Bremser bei der Modernisierung, die in der steigenden Zahl von Internetanschlüssen ein steigendes Sicherheitsrisiko sehen. Experten bezweifeln, ob diese These stimmt. In jeden Fall sind Hacker-Attacken für den Nachrichtendienst ein Desaster.

Verfassungsschutz zahlt zu schlecht

Die Angreifer könnten von außen Schad-Software in das Netz einschleusen. "Das würde Operationen und im Extremfall sogar Menschenleben gefährden, weil wir mit hoch sensiblen Informationen arbeiten", sagt ein Verfassungsschützer.

Spezialrecherchen übernimmt für die Zentrale zumindest schon das "Gemeinsame Internet Zentrum" (GIZ) in Berlin, wo Experten des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamtes (BKA), des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und des Bundesnachrichtendienstes (BND) das Netz nach extremistischen Inhalten durchforsten. Sie beobachten radikale Milieus und betätigen sich als verdeckte Ermittler.

Die Modernisierung wird auch dadurch erschwert, dass der Verfassungsschutz nur schwer Fachleute findet, weil er diese zu schlecht bezahlt. So hat das Bundesamt aktuell 15 IT-Stellen ausgeschrieben, für die es jedoch nur wenige Bewerber gab. Einige schreckt sicher auch das schlechte Image der Behörde ab, die sehr unter dem Versagen bei der Aufklärung der NSU-Morde gelitten hat.

Der hohe Anspruch von Amtschef Hans-Georg Maaßen deckt sich nicht mit der Wirklichkeit. Schwer wird er es haben, als "Digitalisierer des Verfassungsschutzes" in die Geschichte seines Amtes einzugehen, wie Vertraute berichten.

Sammlung von Daten mehrfach gebilligt

Ganz andere Probleme hat die US-Regierung, seit das Ausmaß der Überwachung von Telefon- und Internetverkehr bekannt wurde. US-Präsident Barack Obama sah sich deshalb genötigt, die bisherige Praxis zu verteidigen. Beides sei notwendig, um Terroranschläge zu verhindern.

Die US-Bürger könnten nicht "100 Prozent Sicherheit und gleichzeitig 100 Prozent Privatsphäre und null Unannehmlichkeiten haben", sagte Obama. Zudem sei die geheime Sammlung der Daten mehrfach vom Kongress gebilligt worden.

Obama versicherte zugleich den US-Bürgern, dass niemand ihre Gespräche mithöre. Es würden lediglich Nummern und die Dauer der Verbindungen erfasst. Und das Programm zur Überwachung des Internets beziehe sich zudem nur auf Nutzer im Ausland, nicht auf Einwohner der USA.

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