domingo, 2 de junio de 2013

Surfen ohne Risiken und Nebenwirkungen - Spiegel Online

Kranksein kann einsam machen. Auch wer eine groe Familie und hilfsbereite Freunde hinter sich wei, wnscht sich hufig das Gesprch mit anderen Betroffenen. ber den Umgang mit der Diagnose, mit Schmerzen, mit Nebenwirkungen. Den Austausch finden viele im Internet - zum Teil jedoch mit schdlichen Folgen.

So knnen Internetforen Brustkrebspatientinnen dazu verleiten, ein wichtiges Medikament abzusetzen. Zu diesem Schluss kamen Forscher der University of Pennsylvania, nachdem sie mehr als 25.000 Forenbeitrge analysiert hatten. Sie empfahlen daraufhin rzten, ihre Patientinnen besser ber den Nutzen des Medikaments zu informieren.

Das Problem daran: Kranke vertrauen den Erfahrungen von Leidensgenossen oft eher als medizinischer Expertise, wie auch ein Beispiel des amerikanischen Gesundheitsforums PatientsLikeMe verdeutlicht. Hunderte Nutzer starteten einen medizinischen Selbstversuch, um zu testen, ob ein bestimmtes Medikament eine unheilbare Nervenerkrankung verbessert. Es half ihnen kaum, dafr litten die Selbsttester unter Nebenwirkungen, die von Konzentrationsstrungen bis hin zur depressiven Verstimmung reichten.

Zwei deutsche Foren zeigen, wie sich Patienten austauschen knnen, ohne sich zu schaden. Ihr Rezept: bewusste Kontrolle. Ein Team aus Experten begutachtet die Geschichten aller Patienten. Knnen die Informationen den anderen Nutzern helfen? Oder verunsichern sie eher? Nur, wer die Kontrolle besteht, kommt auch auf die Seite. So verbinden sie zwei wichtige Gter: die persnlichen Erfahrungen der Betroffenen und die Expertise der Mediziner.

"Wichtige emotionale Untersttzung"

"Es kann eine wichtige emotionale Untersttzung sein zu merken: 'Ich bin nicht der Einzige mit diesem Problem'", sagt Klaus Koch vom Institut fr Qualitt und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Auf der vom IQWiG betriebenen Seite Gesundheitsinformation.de erzhlt Hannelore, 67, wie sie nach der Brustkrebsdiagnose dachte, ihr rutsche der Boden unter den Fen weg. Petra, 46, beschreibt eine Phase ihrer Depression: Jede Bewegung habe sich angefhlt, als ob sie durch eine zhe Suppe laufe.

"Einschtzungen ber die Ntzlichkeit und Schdlichkeit bestimmter Behandlungen werden aber ausgespart", sagt Koch. In offenen Foren sei das anders. "Dort kann es passieren, dass Patienten sich schlechte Ratschlge geben und dass sich 'U-Boote' einschleichen." Koch meint Scheinpatienten, die im Auftrag von Pharmaunternehmen heimlich Werbung fr deren Medikamente streuen - indem sie berichten, die Mittel htten ihnen besonders geholfen. Der Experte ist davon berzeugt, dass das blich ist.

Auf Kontrolle setzt auch die Seite Krankheitserfahrungen.de. Seit zwei Jahren betreiben Wissenschaftler der Universitten Freiburg und Gttingen das deutsche Pendant zur britischen Patientenplattform Healthtalkonline. Auch hier kann man Patientengeschichten nachlesen. Die Berichte entstehen aber in einem Prozess, an dem ein Team aus Medizinern, Psychologen und Sozialwissenschaftlern beteiligt ist. Es whlt Betroffene aus, fhrt Interviews und entscheidet mit, in welcher Form das Ergebnis online erscheint. "Wir wollten den Mittelweg zwischen reiner Sachinformation und dem wilden, ungeregelten Austausch gehen", sagt Janka Koschack, Psychologin und Mitgrnderin.

Mehr Vor- als Nachteile

Melia Kowalski, 47, beschreibt auf der Seite ihr Leben mit der Darmkrankheit Morbus Crohn. Zu sehen sind ein Foto von ihr und sogar ein Videointerview. Nur ihr Name wurde gendert. "Ich will damit Menschen Mut machen, die an derselben Krankheit leiden", sagt sie. Ihr selbst hilft es, die Berichte der anderen Patienten zu lesen. Auch weil dort Dinge benannt werden, ber die man im Alltag meist lieber schweigt. "Endlich habe ich gemerkt, es geht anderen genauso: Man schmt sich und es tut weh." Im Internet war bis dahin "immer nur die rztliche Seite" zu ihrer Krankheit geboten worden.

Erfolge und Misserfolge von Behandlungen werden bei Krankheitserfahrungen.de nicht ausgespart, auch dann nicht, wenn es um ungewhnliche Heilmethoden geht. "Wir htten sonst keinen Nutzwert gesehen. Wir schreiben aber immer, dass es sich um Erfahrungen von Einzelpersonen handelt", sagt Janka Koschack.

Kai Sostmann ist Leiter des Kompetenzbereichs E-Learning am Berliner Universittsklinikum Charit. Er glaubt, dass Gesundheitsinformationen im Internet deutlich mehr Vor- als Nachteile bieten. Wichtig seien vor allem die Erfahrungen der Betroffenen: "Gerade Patienten mit chronischen Beschwerden sind meist Experten fr ihre eigene Krankheit." Kranke sollten sich im Internet aber nicht von "Doktor Google" leiten lassen, sondern einen Experten bitten, ihnen ein serises Portal zu empfehlen. "Ich propagiere dafr den echten Arztbesuch."

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