USA, Japan, Schweiz - in vielen Lndern ist das Internet schneller als bei uns. Millionen Haushalte in Deutschland haben gar keinen Zugriff auf einen ausreichend schnellen Zugang, um die datenintensiven Netzanwendungen der Gegenwart zu nutzen.
Seit Jahren verspricht die Bundeskanzlerin schnelles Internet, immer wieder. 2009 etwa versicherte Angela Merkel: 75 Prozent der deutschen Haushalte sollen bis 2014 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde Daten aus dem Netz ziehen knnen.
Dieses Versprechen ist nicht zu halten.
Die Provider scheuen Investitionen, der Staat hlt sich weitgehend heraus. Die Folge: Mit gerade einmal sechs Megabit pro Sekunde surfen Nutzer in Deutschland dem Netzdienstleister Akamai zufolge im Schnitt. Das sind 45 Megabyte Download in der Minute. Das reicht aber nicht einmal fr einen TV-Stream in High Definition. Fr den mssten in einer Minute rund 60 Megabyte Daten bertragen werden.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hchstens im Mittelfeld. 90 Prozent der Nutzer bekommen weniger als zehn Megabit pro Sekunde. Also ber 40 Mbit/s weniger, als Merkel versprochen hatte.
Aber ist das berhaupt ein Problem? Und wenn ja, woran liegt es? Und was knnen wir dagegen tun? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Breitband-Internet.
1. Brauchen wir berhaupt schnelles Internet?
Ja, sptestens mittelfristig. Die Datenmengen steigen rasant: mehr Gerte, mehr Videostreams, Fernsehen ber das Internet. Seit Jahren rufen die Kunden deutscher Provider Jahr fr Jahr mehr Daten aus dem Netz ab:
Doch auch der unabhngige Infrakstruktur-Experte Richard Sietmann vom Fachmagazin "c't" prognostiziert enormen Bandbreitenbedarf:
"Breitband ist eine gesellschaftspolitische Herausforderung, vergleichbar mit der Energiewende."
"Frher oder spter wird alles - von TV-Programmen bis zum Kindergeburtstag - in die und aus den Haushalten gestreamt. Andere Verbreitungswege wie DVB-T oder Sat-TV werden bald der Vergangenheit angehren. Das ist eine gewaltige gesellschafts- und industriepolitische Herausforderung, vergleichbar der Elektromobilitt oder der Energiewende."
Mehr Bandbreite zieht zudem mehr Nutzung nach sich. Je niedriger die Bandbreite, desto weniger Inhalte rufen die Nutzer im Netz ab. Das durchschnittliche bertragene Volumen pro Anschlussart in Deutschland veranschaulicht das. Schmalband-Onliner rufen im Monat durchschnittlich ein Viertel des Datenvolumens von Breitband-Surfern ab.
Das ist Augenwischerei. Es gibt keine einheitliche Definition dafr, was Breitband-Internet ist. Statt von Grenzwerten aus der Vergangenheit auszugehen, muss man eine zukunftssichere Breitbandstrategie an den Ansprchen der mittleren Zukunft ausrichten.
Fr Internetfernsehen in guter Qualitt braucht man eine Verbindung mit acht Megabit pro Sekunde. Etwa die Hlfte der 30 Millionen deutschen Haushalte mit Internetanschluss haben derzeit eine langsamere Anbindung. Der Ingenieur Martin Fornefeld, dessen Beratungsfirma Micus auch fr staatliche Stellen arbeitet, bewertet die Chancen von HD-Fernsehen aus dem Netz in Deutschland so. "Statistisch gesehen ist die Hlfte der Haushalte schon mal auen vor. Im brigen: Haben Sie zwei Fernseher zu Hause, brauchen Sie schon 16 Mbit/s."
"Beim HD-Fernsehen bers Internet ist die Hlfte der 30 Millionen Haushalte auen vor."
Die Hlfte der DSL-Kunden hat einen Zugang mit weniger als sechs Mbit/s, ein Fnftel der deutschen DSL-Nutzer surft im Schmalband mit weniger als zwei Mbit/s.
Das ist nicht zuletzt ein Wirtschaftsfaktor: Gerade in strukturschwachen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern lassen sich Unternehmen heute schon deshalb nicht nieder, weil sie keinen ausreichenden Internetzugang erwarten knnen. Je mehr sich die Geschftswelt digitalisiert, desto drngender wird das Problem.
Nein. Deutschland steht bei den tatschlich gemessenen Bandbreiten sogar schlecht da. Die durchschnittliche Geschwindigkeit von sechs Megabit pro Sekunde fr alle Internetanschlsse in Deutschland ist sogar im Vergleich zum Flchenland USA nur Mittelma.
Es wird kurzfristig vielleicht besser. Aber auf mittlere Sicht ist V-DSL keine Lsung. Es gibt ein technisches Problem: Die Bandbreite bei DSL ist durch das Kupferkabel beschrnkt.
"Alle DSL-Techniken stoen an die physikalischen Grenzen der Kupferdoppeladern."
V-DSL holt aus der alten Technik noch etwas mehr heraus. Ein Teil der Verbindung luft ber Glasfaser, doch auf der letzten Meile zum Haushalt liegt weiterhin Kupfer:
Glasfaser ist auf mittlere und lange Sicht die berlegene Technik. Richard Sietmann vom Fachmagazin "c't": "Alle DSL-Techniken - von ADSL ber VDSL2 bis zum Vectoring - stoen an die physikalischen Grenzen der Kupferdoppeladern."
5. Warum luft der Glasfaser-Ausbau in Deutschland so schlecht?
Die groen Provider investieren wenig in die Technik. Telekom-Chef Ren Obermann rief Anfang 2010 die "Gigabit-Gesellschaft" aus und versprach: Bis Ende 2012 schliet die Telekom bis zu vier Millionen Haushalte per Glasfaser ans Netz an.
"VDSL ist das letzte Aufbumen der Kupfertechnologie, je besser die ausgereizt wird, desto spter kommt Glasfaser."
Daraus ist wenig geworden: 360.000 Haushalte knnen einen Glasfaser-Anschluss bei der Telekom erhalten. Glasfaser ist in Deutschland Mangelware. Die Anzahl erreichbarer Haushalte ist von 2009 bis 2012 um gerade mal 290.000 gestiegen.
Thomas Plckebaum vom Wissenschaftlichen Institut fr Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) bilanziert: "Deutschlands Fluch und Segen ist die gute Kupferinfrastruktur der Telekom. VDSL ist das letzte Aufbumen dieser Technologie, je besser die ausgereizt wird, desto spter kommt Glasfaser."
6. Wie teuer wre Glasfaser fr ganz Deutschland?
Flchendeckender Glasfaserausbau bis ins Haus in Deutschland drfte Milliarden kosten. 70 bis 80 Milliarden Euro wren ntig, schtzt zum Beispiel das Wissenschaftliche Institut fr Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK).
70 bis 80 Milliarden Euro wrde flchendeckender Glasfaserausbau in Deutschland kosten.
Investitionen lohnen sich umso eher, je mehr Menschen in einer Region wohnen und je mehr Hauptverteiler dort stehen. Dieses Verhltnis visualisiert der Breitband-Investitionsindex: In den Metropolen sieht es gut aus, berall sonst schlecht bis miserabel.
7. Glasfaser-Ausbau luft in anderen Staaten sicher auch schlecht?
Nein. In vielen Staaten ist das Netz besser ausgebaut. Die Glasfaserquote ist in sehr vielen Lndern erheblich hher als in Deutschland, am hchsten in Skandinavien und einigen osteuropischen Staaten.
Beim Glasfaserausbau hat Deutschland bessere Voraussetzungen und schlechtere Ergebnisse als Lettland, Bulgarien und Schweden.
Der Breitband-Investitionsindex fr Europa bescheinigt Deutschland bessere Voraussetzungen fr den Breitbandausbau als diesen Staaten. Der Index wird als Produkt von Einwohnern und Hauptverteilern pro Quadratkilometer fr Stadt- und Landkreise berechnet.
Je mehr Einwohner und je mehr Hauptverteiler in einer Region stehen, desto gnstiger und lukrativer ist die Aufrstung (mehr Kunden, mehr bestehende Infrastruktur).
Fazit: Der Ausbau ist bisher unzureichend. Die Zukunftstechnologie Glasfaser ist in Deutschland ein Nischenmarkt.
Wenn die Regierung Breitband-Internet als ffentliches Gut sieht, muss sie mehr tun.
Die Deutsche Telekom darf ihre Kupferleitungen unreguliert als VDSL2 vermarkten, fr groe Anbieter gibt es wirtschaftlich wenig Anreize, in unwirtschaftliche Gebiete zu investieren.
Die entscheidende Frage, um die sich die Regierung bisher drckt: Ist Breitband-Internet ein ffentliches Gut, gehrt es zur Daseinsfrsorge?
Wenn es so ist, muss der Bund mehr tun.
Quellen
- Akamai: State of the Internet 4/2012
- Breko: Marktdaten 2012
- Ronald Freund: Glasfaser auf dem Weg zum fhrenden Medium
- Dialog Consult / VATM: 14.TK-Marktanalyse Deutschland 2012
- Bundesnetzagentur: Jahresbericht 2012
- ICT Fact and Figures 2013
- BIIX e.V.: Breitband-Investitionsindex
- Ausknfte von Thomas Plckebaum (WIK Conult), Martin Fornefeld (MICUS Management Consulting), Richard Sietmann (c't), Akamai, BIIX e.V., BUGLAS, FTTH Council Europe, VATM, Deutsche Telekom, Stuart Cleary (Akamai)
Zur Umrechnung von MBit in Megabyte
Der Datendurchsatz bei Breitbandanschlssen wird in Megabit je Sekunde angegeben. Das ist verwirrend, weil der Speicherplatz auf Datentrgern in Mega- und Gigabyte beziffert wird. Die Umrechnung ist eigentlich einfach: Acht Bit entsprechen einem Byte. Kompliziert wird die Umrechnung dadurch, dass bei den Speicherplatz-Angaben noch immer Binr-und Dezimalsystem (ausfhrliche Erklrung hier) durcheinandergebracht werden. Bei den Begriffen hilft die Tabelle unten, Heise bietet kostenlos einen guten Bandbreiten-Rechner, mit dem sich MBit je Sekunde leicht in Gibi- und Gigabyte je Minute oder Sekunde umrechnen lassen.
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