miércoles, 21 de noviembre de 2012

Krieg herrscht auch im Internet - DIE WELT

Ein kurzes Video zeigt die letzten Sekunden im Leben Ahmed Dschabaris. Auf schwarz-weißen Bildern ist zu sehen, wie der Hamas-Militärchef in einer Limousine durch Gaza-Stadt fährt. Kurz darauf wird das Fahrzeug von einer israelischen Rakete getroffen und von der Straße geschleudert. Ein heller Feuerball nimmt dem Betrachter die Sicht.

Es hat nur wenige Stunden gedauert, bis das israelische Militär (IDF) dieses spektakuläre Video veröffentlichte. Auf YouTube ist es mit weit über vier Millionen Aufrufen längst zum Klassiker geworden. Die Botschaft der Israelis ist klar: Wir können euch überall treffen, und die Öffentlichkeit wird binnen kürzester Zeit davon erfahren.

Seit Beginn der israelischen Militäroperation liefern sich Israel und die Hamas einen erbitterten Kampf um die Hoheit im Internet. Die israelischen Streitkräfte verkündeten den Beginn der Offensive öffentlichkeitswirksam auf Twitter. Man werde eine "groß angelegte Offensive" im Gazastreifen starten, hieß es dort. Eine weitere Twitter-Nachricht empfahl allen Hamas-Führern "ihre Gesichter in den nächsten Tagen nicht bei Tageslicht zu zeigen". Die direkte Antwort der Hamas folgte prompt. "Unsere gesegneten Hände werde eure Anführer und Soldaten greifen, egal wo sie sind. Ihr habt die Tore zur Hölle selbst aufgestoßen", hieß es von einem Profil unter dem Namen "Al Quassam Brigade", das als offizielle Twitter-Präsenz des militärischen Flügels der Hamas gilt.

Twitter habe sich seit dem letzten Krieg vor vier Jahren zu "einer zusätzlichen Kriegszone" entwickelt, sagte eine Sprecherin des israelischen Militärs. Über die sozialen Netzwerke könne Israel Informationen an den Medien vorbei direkt ins Netz geben. Seit zwei Monaten unterhält die Armee eine eigene Abteilung für interaktive Medien mit einem Stab von 30 Soldaten. Beide Seiten betreiben im Internet eine fortwährende Bestandsaufnahme der Offensive, zählen Raketeneinschläge und Luftangriffe, verbreiten grausige Fotos verletzter oder getöteter Kinder.

Mit der Präsenz auf allen Kanälen versuchen Israel und die Hamas, die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen. Sie verstünden, "dass man solche Konflikte nicht mit einer Bodenoffensive gewinnt; man gewinnt sie über die öffentliche Meinung", sagt Tamir Sheafer, der an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt. Für Israel hat die Web-Offensive einen konkreten Hintergrund: Ein mediales Debakel wie nach der Erstürmung der "Mavi Marmara" im Jahr 2010 soll verhindert werden. Damals töteten israelische Soldaten neun Passagiere des Schiffes, das angeblich Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen sollte. Erst 14 Stunden später präsentierte das israelische Militär ein entlastendes Video. Es zeigte deutlich, dass die Soldaten zuvor brutal angegriffen wurden und sich lediglich selbst verteidigten. Doch da war es schon zu spät. Die Öffentlichkeit hatte Israel als Aggressor ausgemacht. Bis heute hält sich dieses Bild in vielen Köpfen.

Die Israelis haben aus diesem PR-Gau gelernt. Zur Strategie gehört es nun, unwahre Behauptungen des Gegners so schnell wie möglich zu entlarven. Etwa die, das Hamas-Raketen in Tel Aviv eingeschlagen seien oder radikale Palästinenser drei israelische Soldaten in einem Jeep getötet hätten. Ein entsprechendes Video auf der Facebook-Seite des IDF zeigt, welche Äußerungen der Hamas nicht mit der Realität übereinstimmen.

Unterstützt wird das IDF dabei von Hunderten anonymer Israelis. Sie knöpfen sich veröffentlichte Bilder der Hamas vor und enttarnen viele davon als plumpe Fälschung. Auf Facebook kursieren derzeit dutzende solcher Aufnahmen. Etwa ein BBC-Video, auf dem ein Palästinenser angeblich verletzt weggetragen wird und dann wenige Schnitte später wieder durch das Bild läuft.

Ein anderes Bild zeigt angeblich ein vierjähriges palästinensisches Kind, ebenfalls verletzt auf einer Liege im Krankenhaus; offenbar mit letzter Kraft reicht es seinem kleinen Bruder die Hand. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Aufnahme eines verwundeten Kindes in Syrien, veröffentlicht wurde sie erstmals am 28. Oktober dieses Jahres. Getwittert hatte das Bild ein palästinensischer Journalist. BBC-Journalist Jon Donnison twitterte es weiter und musste das später korrigieren.

Dass auch die israelische Seite nicht nur den nackten Fakten vertraut, verdeutlich eine suggestive Grafik auf der Facebook-Seite des IDF. Sie zeigt den vermeintlichen Querschnitt eines Krankenhauses in Gaza: Während in den oberen Stockwerken Verletzte behandelt würden (Emergeny), befinden sich im Keller angeblich Hamas-Kommandozentrale und Raketenlager, so die Botschaft. Derart aggressives Werben im Netz birgt auch Stolperfallen, sagt Natan Sachs, ein Experte der Washingtoner Brookings Institution. Andere Nutzer könnten direkt auf die Nachrichten reagieren, teilweise mit sarkastischen Bemerkungen. "Sie könnten sich in Bezug auf ihre PR in falscher Sicherheit wiegen", sagt Sachs mit Blick auf die Israelis. "Am Ende zählen ihre politischen Entscheidungen und nicht ihre Twitter-Nachrichten."

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