miércoles, 19 de diciembre de 2012

"Warum darf Ayo nicht einfach bleiben?" - Spiegel Online

Die lngste Reise im Leben von Ayodele und seinem Bruder Victor endet an einem Sonntagmorgen im April in der Hamburger Innenstadt. Ayodele Madaiyese ist 16, Victor 14 Jahre alt. Per Bus, Bahn und Flugzeug sind sie nach Deutschland gekommen, durch welche Stdte und Lnder, das wissen sie nicht mehr genau. In einem Vorort der Millionenstadt Lagos in Nigeria brachen sie auf. Ein Onkel begleitete die beiden nach Hamburg, wo Ayodeles Eltern leben. Sein Vater war als Erster in die Hansestadt gezogen, um hier als Frisr Geld zu verdienen, das war 1998.

Zweieinhalb Jahre sind seit dem Tag vergangen, an dem Ayodele in Hamburg ankam. Sein Leben hat sich seither sehr verndert. Er hat Deutsch gelernt, besucht die elfte Klasse einer Gesamtschule und spielt beim HSV in der A-Jugend Fuball. Abitur will er machen und dann Profi-Kicker werden. Oder ein Ingenieurstudium beginnen. Am liebsten beides. Sein bester Freund, der Ghanaer Jephter, schttelt den Kopf. "Ayo, das geht nicht. Fuball spielen und studieren." "Doch, das geht", sagt Ayodele. Boxt seinem Freund an die Schulter und flachst: "Musst du kmpfen, Bruder!"

Zu kmpfen hat Ayodele derzeit allerdings an einer anderen Front. Vor ein paar Wochen bekam er ein Schreiben der Auslnderbehrde, das alle seine Zukunftsplne zunichte machen knnte. Bis Mitte Januar soll er Deutschland verlassen. Sonst wird er abgeschoben. Die Begrndung: Nur solange er minderjhrig war, wurde er hier geduldet. Jetzt, da er volljhrig ist, muss er weg.

Ayodeles Vater hat die deutsche Staatsangehrigkeit. Warum sollte er also nicht einfach auch hierbleiben drfen, fragt sich Ayodele. "In Nigeria habe ich keinen Schulabschluss und niemanden, zu dem ich gehen kann. Was soll ich dort machen?"

Fr die Behrde fr Inneres und Sport stellt das offenbar kein Problem dar, sie schreibt in ihrem vierseitigem Brief an Ayodele: "Eine Rckkehr nach Nigeria ist zumutbar, da durch Ihren zweijhrigen Aufenthalt im Bundesgebiet noch keine schutzwrdigen persnlichen oder wirtschaftlichen Bindungen entstanden sind." Seine Zeit in Deutschland habe zu keiner Entwurzelung in seiner Heimat gefhrt.

Ayodele darf nicht bleiben, weil sein Vater es versumt hatte, den korrekten Weg durch die Brokratie zu gehen. Mit dem deutschen Pass, den er 2009 bekam, htte er einen Antrag auf Familienzusammenfhrung stellen knnen. Hat er aber nicht. Vielleicht weil er nicht wusste, dass er so etwas beantragen muss. Vielleicht weil er mit der Auslnderbehrde nicht die besten Erfahrungen gemacht hatte. Auerdem war gar nicht geplant, dass seine Shne zu ihm ziehen. Im April 2010 lud der Onkel aus Afrika Ayodele und Victor pltzlich in Hamburg ab - ohne Pass, ohne Einreisegenehmigung. Er hatte sich mit ihrem Vater gestritten und wollte sich nicht lnger um die Jungen kmmern.

Prominente Fuballer und YouTube-Stars sollen helfen

Als Ayodele von seiner drohenden Abschiebung erfuhr, fragte er seinen Klassenlehrer an der Nelson-Mandela-Gesamtschule im Stadtteil Wilhelmsburg um Rat. Gemeinsam erzhlten sie in der vergangenen Woche der ganzen Klasse von dem Brief der Behrde. Die Schler beschlossen, sofort etwas zu unternehmen. Sie begannen noch im Unterricht damit, eine Facebook-Seite mit dem Titel "Gegen die Abschiebung von Ayodele Madaiyese" aufzubauen und baten all ihre Freunde in dem sozialen Netzwerk um Untersttzung.

"Ich habe mich gefreut, dass sie sich so fr mich einsetzen", sagt Ayodele. "Aber ich bin einfach zu verzweifelt, um mich damit zu beschftigen." Seine Klasse ist auch dabei, eine Demo zu organisieren, Lehrer und Schler haben die Hrtefallkommission angeschrieben, die Auslndern in besonderen Fllen zu einem Aufenthaltsrecht verhelfen kann, auch wenn das gegen die gesetzlichen Vorgaben verstt. Die Schule will auerdem einen Brief an die Auslnderbehrde schicken.

"Warum darf Ayo nicht einfach bleiben?", fragt seine Mitschlerin Yasmin. "Er hat doch nichts verbrochen." Yasmin und ihr Mitschler Kaan betreuen die Facebook-Seite fr Ayodele, sie verfassen neue Posts und bitten prominente Fuballer und YouTube-Stars um Untersttzung. "Manche schreiben wir direkt an. Bei anderen fragen wir Leute, von denen wir wissen, dass sie jemanden Bekanntes persnlich kennen", sagt Kaan.

Ayodeles Freunde sind nicht die einzigen, die den Weg ber die sozialen Netzwerke gewhlt haben, um auf das Schicksal eines Mitschlers aufmerksam zu machen. Diese Mitschler heien zum Beispiel Saikou, Selenora oder Fabiola und haben hnliche Geschichten wie Ayodele. ber abenteuerliche Wege sind sie nach Deutschland gelangt, haben hier Wurzeln geschlagen, Freunde gefunden und ein neues Leben begonnen. Irgendwann kam der Brief der Behrde, der sie aufforderte, das Land zu verlassen. Fr sie alle wurden Facebook-Seiten eingerichtet, Online-Petitionen gestartet, Protestaktionen organisiert und Blogbeitrge geschrieben, um sie in ihrem Kampf mit den mtern zu untersttzen. Bevor Zeitungen ihnen einen Artikel widmeten, hatten sie Tausende Untersttzer im Netz.

Lebensgeschichten, die nicht in den Akten stehen

Ob diese Aktionen Ayodele und den anderen helfen, ist schwer zu sagen. Aber es macht die Arbeit der Behrden sicher nicht leichter. Die Betroffenen sind nicht mehr nur einige von den rund 8000 Menschen, die jedes Jahr aus Deutschland abgeschoben werden. Sie sind Mitschler, Freunde, Teamkollegen. Menschen mit einer Lebensgeschichte, die nicht in den Akten und Formularen der Sachbearbeiter steht.

Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) wurde im Juni auf einer Preisverleihung mit Plakaten konfrontiert, auf denen das Bleiberecht fr die Schlerin Selenora aus Bosnien gefordert wurde. Rabe wollte eigentlich nur ein paar Urkunden fr gelungene Integration berreichen, auch an Selenora. Doch ihre Mitschler nutzten die Veranstaltung fr die Protestaktion. Und die Hamburger Hrtefallkommission, die Anfang Dezember ber das Aufenthaltsrecht der 16-jhrigen Fabiola aus Honduras und ihrer Familie entscheiden sollte, musste sich auf dem Weg in den Sitzungssaal an den Freunden der Jugendlichen vorbeischlngeln. Fabiola darf nun bleiben, Selenora musste trotz der groen Untersttzung gehen.

Auf der Facebook-Seite fr Ayodele haben mittlerweile ber 9000 Menschen auf den "Gefllt mir"-Button gedrckt. Und er bekommt Zuspruch von prominenter Stelle: Der HSV-Spieler Dennis Aogo und der Rapper D Maroc haben auf ihren Seiten dazu aufgerufen, die Aktion zu untersttzen. "Ayo hat eine echte Zukunft im Fuball. Es wre eine Schande, wenn er gehen msste", sagt Wolfram von Helldorf, der sich beim HSV ehrenamtlich um die auslndischen Jugendlichen kmmert.

Ayodele hofft einfach nur, dass er hier bleiben darf. Um sein Abitur zu machen und um in der kommenden Saison Fuball spielen zu drfen. Eigentlich ist er fr die dritte Mannschaft der HSV-Herren eingeplant. Dort darf er aber - anders als in der A-Jugend - nur kicken, wenn er nicht mehr nur geduldet wird, sondern eine Aufenthaltsgenehmigung bekommt.

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