lunes, 31 de diciembre de 2012

Mate, Männer, Megabytes - DIE WELT

Wer keine schwarze Kleidung trägt, fällt auf. Wer über 50 Jahre alt ist, erst recht. Wer keinen Mate-Tee und keine Chilichipstüte in Reichweite hat, bringt die Kongressnächte nicht hellwach über die Runden. Wer andere siezt, fällt völlig aus dem Rahmen. Und wer nicht unentwegt twittert, simst oder surft, kommt sich vor wie vom anderen Stern.

Dass die 5000 Teilnehmer des viertägigen "Chaos Communication Congress" gratis WLan und ein eigenes Mobilfunknetz nutzen, passt ins unorthodoxe Bild. Das Motto der Veranstaltung, typisch, ist ironisch gewählt: N-O/T.MY-D/E.PA-R/T.ME-N/T - genau so geschrieben. "Das ist nicht meine Angelegenheit" soll, frei übersetzt, genau das Gegenteil besagen. Nicht Passivität und Wegschauen, sondern Einmischen und aktives Handeln sollen die Gebote der Online-Generation sein. Zwar wird während der 96 Stunden des Kongresses auch gespielt und gebastelt, doch liegt der Schwerpunkt auf politischen Diskussionen. In allen möglichen Foren, hyperspontan anberaumt, geht es um Strategien, die Freiheit im Internet zu verteidigen, Vorratsdatenspeicherung sowie Zensur zu verhindern und die Bezahlung der Online-Nutzung einzudämmen.

Für den Neuling heißt dies, Vorurteile über Bord zu schmeißen, denn Hacker, so die erste Lehre, müssen nicht zwangsläufig Computer-Saboteure sein, die in fremde Systeme eindringen und Netzwerke lahmlegen. "Hacker sind kreative Menschen, die getrieben sind, etwas anderes zu machen, als ursprünglich gedacht", definiert Alexander Bernhardt das Credo seiner rund 5000 Seelenverwandten vor Ort. Unter dem Strich sei Hacken nichts anderes als der artfremde Gebrauch von Technik. Ohne Fantasie und Sinn für grenzenlose Demokratie laufe gar nichts. Entscheidend ist, mit Können und Wissen verantwortlich umzugehen.

Alexander Bernhardt, 42, zählt zur zweiten Generation des 1981 gegründeten Chaos Computer Clubs mit heute rund 3000 Mitgliedern. Für Spinner und Spleens ist durchaus Platz, aber nur vereinzelt.

"Lightning Talk" heißt eine viel besuchte Runde in Saal 1. Von einem Moderator begleitet, hat jeder Referent exakt fünf Minuten Zeit, seine Ideen, Pläne oder Geschäftsmodelle zu präsentieren. Es ist eine turbulente Show, bei der auch Paradiesvögel, Exzentriker und hochintelligente Querdenker Hochkonjunktur haben. Gut 100 Vorträge und noch mehr Fachkreise locken die 5000 Gäste aus gut 60 Ländern und sorgen auf den vier Etagen für ein Gewusel wie im Bienenstock. Gebot des Tagung: möglichst cool und entspannt zu wirken und möglichst auch zu sein.

Das Herz des Kongresses pulsiert im "Hack Center" - in einem abgedunkelten Großraum, rund um die Uhr. An runden Tischen sitzen überwiegend schwarz gekleidete Freaks und tüfteln. So und so. Die einen löten Platinen oder basteln kleine Helikopter, die computergesteuert und autonom fliegen können. Es sind Daniel Düsentriebs der Neuzeit.

Andere debattieren im kleinen Kreis Netzwerklösungen, verabreden sich via Twitter oder hocken konzentriert vor ihrem Monitor. Überall liegen Kabelberge, blinken Dioden, surrt und rauscht irgendetwas. Da die Zeit von nur vier Tagen knapp zu sein scheint, fällt die Ernährung ebenso zügig aus wie das Surfen. Fast Food, Chips, Kekse, Magnum-Wasserflaschen oder speziell die "Hacker-Brause" Flora-Power, ein in Hamburg gebrauter Mate-Tee, sind der Treibstoff.

Weibliche Hacker treffen sich in männerfreier Zone zum Frühstück.

Wichtig ist die Vision. Und die politische Einstufung. Mareike Peter, 24, Informationstechnische Assistentin aus Berlin, arbeitet halbtags als Sekretärin, um Zeit für persönliches Engagement zu haben. "Ich bin mit Computern und Internet aufgewachsen", sagt die plietsche Frau, "und habe eine Welt ohne Barrieren erfahren". Diese "Freiheit aus dem Netz" müsse auch im täglichen Leben gelten. Online existieren eben keine Ländergrenzen. Das lässt die Welt näher zusammenrücken. Auch ihr hilft der Kongress Menschen zu treffen, die man sonst nur anonym aus dem Netz kennt. Wer will, kommt im Nu ins Gespräch.

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