lunes, 10 de diciembre de 2012

David Garrett „Es geht um Musik“ - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Zu David Garrett geht es weit nach oben. Durch die Flure eines Berliner Hotels, mit dem Aufzug hoch, am Ende noch eine Treppe hinauf, hier residiert er gerade. David Garrett ist der Rockstar unter den Klassikern. Er spielt Chopin und Coldplay, Beethoven und Queen, Mozart und U2. Er ist populär – und weiß es.

Schon mal überlegt, eine Geige wie ein  Rockstar auf der Bühne zu zertrümmern?

Nein. Warum auch? Es geht um die Musik. Jeder, der zu meinem Konzert kommt, weiß, selbst wenn es einen Effekt bei Crossover-Shows gibt, ist der immer der Musik untergeordnet.

Sie hätten etwas Unvergessliches gemacht.

Alles, was man für eine gute Show braucht, ist gute Musik. Wenn du zusätzlich das Wagnersche Gesamtkunstwerk einbeziehst, kannst du die Menschen aus ihrem Leben nehmen und eine Welt um die Musik basteln. Aber alles ist der Musik untergeordnet, und das muss auch nicht schockieren. Es geht darum, die Bandbreite an Gefühlen in der Musik wiederzuentdecken.

Haben Sie mal daran gedacht, einen Tag nicht Geige zu spielen?

Das mache ich oft. Geige zu spielen ist keine Pflichtveranstaltung. Gerade für den Körper und die Hände ist es gut, die Geige mal nicht anzufassen. Ich habe die vergangenen fünf, zehn Tage Pause gemacht und gar nicht Geige gespielt. Ich hatte einfach keinen Bock darauf. Das ist auch wichtig. Sonst hast du auch keine Inspiration, wieder gut zu arbeiten. Der Abstand gibt wieder Motivation.

Weit kann er sich aber nicht von seiner Geige entfernt haben. Die Stradivari, versichert für fünf Millionen Euro, hält er beim Gespräch auf dem Schoß. Mit den Fingern zupft er die Saiten.

Das beste Konzert, das Sie je erlebt haben?

Isaac Stern habe ich noch gehört, in Oxford, mit César-Franck-Sonate. Das fiel mir jetzt sofort ein. Toll! Henryk Szeryng mit Beethoven-Sonate, da war ich auch noch sehr jung. Das war ein
Erlebnis. Danach habe ich mir gesagt: Jetzt übst du noch mal.

Was muss man tun für eine gute Show?

Zuhören. Jeder Musiker auf der Bühne kann die Noten spielen und hat eine
gewisse Idee der Interpretation im Kopf. Aber man muss den Moment gestalten, alles wahrnehmen und darauf reagieren. Das Tempo im Orchester unterscheidet sich, Viola oder Cello artikulieren anders – darauf musst du reagieren. Man muss sich so vorbereiten, dass man die Freiheit hat, sofort anders zu spielen.

Jedes Konzert ist anders?

Ja. Das Gerüst ist gleich. Der Rahmen wird nicht gesprengt, aber darin finde ich Millionen von Möglichkeiten. Wie langweilig wäre es für mich, ein Beethoven-Konzert immer gleich zu spielen? Irgendwo stand geschrieben, dass für seine Auftritte die Frisur das wichtigste sei. Stimmt nicht. Die Haare sind einfach locker zum Pferdeschwanz gebunden. Im Gesicht Bartstoppeln. Er ist gerade erst aus New York eingeflogen. Unter seinen Augen dunkle Ringe.

Wissen Sie noch, wie es war, das erste Mal eine Geige in der Hand zu halten?

Nein. Gott sei Dank kann ich mich nur an die Zeit erinnern, als ich schon einigermaßen gut spielen konnte.

Sie haben mit vier Jahren zu spielen begonnen. Wann merkten Sie, das hört sich gut an?

Gott sei Dank recht bald. Mein erstes Erlebnis war mein Auftritt bei «Jugend musiziert». Ich habe die F-Dur-Romanze von Beethoven gespielt, und das ging damals schon ganz gut. Da war ich fünf.

Wann haben Sie das erste Mal das Wort Wunderkind gehört?

Als ich noch nicht wusste, was das ist. Was reden die von Wunder, ich arbeite acht Stunden am Tag!

Noch aufregend, auf der Bühne zu stehen?

Immer. Es gibt positive und negative Aufregung. Gute Aufregung verlangsamt alles, du fühlst, dass du alles noch besser kontrollierst und beherrschst. Zeit wird langsamer, und du kannst schneller reagieren. Schlechte Aufregung ist, wenn plötzlich alles schneller läuft.

Warum eigentlich die große Bühne?

Die schönsten Sachen haben keinen Sinn, wenn man sie nicht teilt. Wer will allein ein tolles Essen genießen? Wenn du in der schönsten Suite im Ritz Carlton in Paris alleine sitzt, würdest du dir auch die Kugel geben.

Wer spielt besser Geige als Sie?

Das müssen andere entscheiden. Wenn ich nicht an mich glauben würde, dass ich ganz oben mitmische, würde das für mich keinen Spaß machen. Das soll nicht arrogant klingen. Mein Anspruch ist, das Beste aus mir herauszuholen. Ich weiß genau, dass ich sehr, sehr gut bin. Ich versuche mich nicht einem Vergleich zu stellen, sondern nur mich selbst zu verbessern. Das würde ich nicht machen, wenn ich nicht von mir überzeugt wäre.

David Garrett wurde am 4. September 1980 in Aachen geboren. Sein Vater, ein Deutscher, ist Geigenlehrer und -auktionator, seine Mutter, Amerikanerin, eine Primaballerina. Schon mit 13 Jahren spielte er seine ersten beiden Alben ein. Später ging er nach New York und studierte klassische Musik. Heute wohnt er in Berlin und New York.

Wo sind Sie lieber: New York oder Berlin?

Beide Städte sind unglaublich faszinierend. Ich würde in keiner Stadt ein ganzes Jahr wohnen, ich liebe es zu reisen und würde mich langweilen, in einer Stadt zu lange zu bleiben.

Haben Sie lieber als Model, Bibliothekar oder Barkeeper gearbeitet?

Ich fand Barkeeper interessant, weil man viele Menschen kennenlernt. Ich habe das nur einen Sommer lang gemacht. Die Arbeitszeiten fand ich gut: ausschlafen und spät anfangen, wie im Konzertleben.

Nächstes Jahr lebt er wieder dieses Leben: Von April bis Juni tourt er durch
Deutschland. Im November hat er Gold für 100.000 verkaufte Platten des neuen Albums «Music» bekommen.

Ist Ihr aktuelles Album «Music» eigentlich besser als ihr letztes?

Man entwickelt sich immer weiter und lernt sich besser kennen. Mir war das Vielseitige sehr wichtig nach dem pragmatischen Crossover-Album «Rock Symphonies» und dem klassischen Beethoven-Konzert vom vergangenen Jahr.

In Ihrer Musik vereinen Sie beides, Klassik und Rock.

Ich will eine neue Generation auf das Instrument Geige aufmerksam machen. Menschen aus der Klassik will ich zeigen, dass tolle populäre Musik nicht mit Abstand zu sehen ist. Und umgekehrt: Wer die «Ode an die Freude» gut findet, holt sich vielleicht auch das Beethoven-Violinkonzert.

Für die Fotos läuft er in weit geöffneten Stiefeln über die Teppiche. Auf dem Rücken seine Geige im grauen Koffer, den er als Rucksack aufsetzt.

Sind Sie noch unsicher, bevor Sie auf die Bühne gehen?

Unsicherheit ist der größte Antrieb.Wenn ich spiele, versinkt sie. Aber im Körper steckt sie immer.

Haben Sie auch einen Bildungsauftrag?  Manche sagen ja, dass Sie Menschen in die klassische Musik ziehen.

Das freut mich. Aber ich will keinen Druck aufbauen, ich bin selbst mit viel Druck aufgewachsen. Ich freue mich immer, wenn junge Menschen ein Instrument kennenlernen, aber das sollte ohne Druck passieren. Ich wünsche es keinem Kind, diesen Druck zu erfahren. Aber ohne Druck wird es schwierig, das professionell zu machen. Die Anfangsmotivation sollte wirklich von den Kindern selbst kommen. Ich hoffe, dass man sie  auch anders motivieren kann, wenn man sie nämlich zu Konzerten mitnimmt. Wenn ich jemanden gesehen habe, der sehr gut Geige spielte, habe ich mir gesagt: Jetzt versuche ich noch besser zu werden.

Heute haben Sie keinen äußeren Druck mehr.

Mir sagt normalerweise keiner mehr etwas. Es sei denn, Mutti ruft an. Eltern bleiben immer Eltern.

Ich habe gehört, Sie lassen das Telefon ausgeschaltet oder ziehen den Stecker, wenn Sie ein paar Tage ungestört sein wollen.

Einfach die Batterie ausgehen lassen, dann hat man immer eine gute Ausrede.

Die Fragen stellte Jan Hauser.

Quelle: Magazin »Z«
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