miércoles, 12 de diciembre de 2012

Internet als Knigge: Das Netz ist der neue Benimmtrainer - Spiegel Online

Ich komme aus einer strengen, sparsamen Familie. Mein Vater war ein Kriegsveteran, meine Mutter Tochter von Landjunkern. Als Kind band man ihr einen Stock in den Rcken, damit sie gerade sa. Der Lieblingssatz meines Vaters: "Heute gibt es Brot mit Daumen und Zeigefinger belegt." Ich fand das schon als Sechsjhriger nur bedingt komisch.

In der Pubertt hatte ich es dann aber relativ einfach. Man muss nicht besonders kreativ sein, um Leute auf die Palme zu bringen, die ihre eigenen Eltern noch gesiezt haben und Jeanshosen nur aus dem Fernsehen kennen. Man lmmelt sich einfach schief an den Esstisch, quatscht den Erwachsenen dazwischen, wenn sie Franz Josef Strauss oder Helmut Kohl loben und legt ostentativ Daumen und Zeigefinger aufs Brot.

Wie schn, dass meine Mutter jetzt noch erleben kann, wie aus mir der Junge geworden ist, den sie sich in den siebziger Jahren immer gewnscht hat. Ein Kind, das artig ist, die Klappe hlt und sich mit sich selbst beschftigt. Dass dieses Kind im Krper eines erwachsenen Mannes steckt, strt sie berhaupt nicht. Die meisten Eltern wrden einen sowieso auf der letzten Niedlichkeitsstufe einfrieren - wenn das aufgrund verrckter technischer Experimente mglich wre. Bei mir war das ungefhr im Alter von fnf.

Dass ich jetzt so ein guter Junge bin, liegt am Internet. Das Internet hat mir Manieren beigebracht. Ich befolge jetzt all jene Verhaltensregeln, mit denen mich meine Eltern immer schikaniert haben.

  • Regel Nummer eins: Hr auf rumzuzappeln, setz dich ordentlich hin!

    Ich sitze jeden Tag mehrere Stunden vor dem Rechner, aufrecht und akkurat. Gebannt schaue ich auf den Schirm, das Einzige, was sich bewegt, sind meine Hnde und meine Augen. Man kann mich jetzt berall mit hinnehmen, man muss nur ein iPad anwerfen und schon bin ich artig wie ein Chorknabe.
  • Regel Nummer zwei: Konzentrier dich!

    Das Internet nimmt mich total gefangen. Gangnam-Style-Videos, Fotostrecken von Kriegsverbechern oder die Facebook-Eintrge von Charlie Sheen: Das reicht, um mich zu fesseln. Konzentrierter als ich kann niemand die Live-Mitschnitte internationaler Miss-Wahlen anschauen. Ich glaube brigens, dass die natrliche Eleganz der Norwegerinnen berschtzt wird. Aber das ist ein anderes Thema.
  • Regel Nummer drei: Schau mich an, wenn ich mit dir rede!

    Nun redet das Internet nicht mit mir, aber wenn man das Geschehen auf dem Bildschirm als Gegenber begreift, dann schaue ich das so was von an, also, ich lasse da nichts und niemanden auch nur fr eine Sekunde aus dem Blick. Ich starre auf diesen Schirm, als ob man meine Halsmuskeln mit Stahlstreben ersetzt htte. Wenn Webseiten sprechen knnten, wrden sie sagen: Noch nie habe ich mich so gesehen gefhlt.
  • Regel Nummer vier: Denk erst mal nach, bevor du redest!

    Wenn man Nachdenken mit sich informieren gleichsetzt, dann bin ich der nachdenklichste Mensch der Welt. Ich informiere mich ber alles und das in umfassendem Mae. Zum Beispiel die Wahlen in Amerika: Ich habe auf SPIEGEL ONLINE so viele Themenseiten dazu durchgelesen, dass ich als Politikberater im Weien Haus arbeiten knnte. Fr Romney. Und fr Obama.
  • Regel Nummer fnf (in Frageform): Musst du dich immer drauen rumtreiben?

    Ich treibe mich nirgendwo herum, schon gar nicht drauen. Drauen ist das Internet zu langsam, und fr meine Recherchen, siehe Regel Nummer vier, brauche ich einen ordentlichen Bildschirm, da ist mir ein Smartphone zu mickrig. Ich lebe in einem Zustand permanenten Stubenarrests, die Hausaufgaben stelle ich mir selber. Wie war das gleich noch mal mit den Mehrheitsverhltnissen bei der NRW-Wahl? Wie kriegt man eigentlich Diabetes in den Griff? Ist die neue Platte von Rihanna wirklich so gut und wenn nicht, wie sieht das im Vergleich die britische, amerikanische und australische Popkritik?
  • Regel Nummer sechs (ebenfalls in Frageform): Was willst du uns jetzt eigentlich sagen?

    Twitter hat mir geholfen, mich kurz zu fassen. Ich kann jetzt komplizierteste Gedanken, Gefhlslagen oder Meinungen in Haiku-Lnge formulieren. Das Gedruckse und Gestammel, mit dem ich frher meine Erzeuger in die Verzweiflung trieb, existiert nur noch in der Erinnerung an eine rhetorisch und intellektuell ineffiziente Zeit.

Das Internet ist der neue Knigge. Und wie bei Knigge gilt: Weil der Mensch eine schwache Natur ist, funktioniert die Disziplinierung nur durch stndige Einbung.

Und so tauche ich jeden Tag wieder am Rechner auf, brigens ordentlich gekleidet. Auch der Schreibtisch ist aufgerumt, das Zimmer tipptopp in Schuss. Man wei ja nie, wer beim Skypen auf der anderen Seite noch berraschend auftaucht.

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