Stuttgart/Berlin - Die großen deutschen Parteien wirbeln bemüht im Wahlkampf 2.0, um Jungwähler im Internet zu erreichen. Marketing ist alles. Dafür üben sie fleißig den Umgang mit Twitter, Facebook und das richtige Verschlagworten, um auch im Netz gefunden zu werden. Das Ergebnis: viele junge Wähler bekommen trotzdem nichts davon mit. Das ist das Fazit einer Studie des Masterseminars Politik-Marketing der Universität Hohenheim.

Hierzu wurden rund 800 Frauen und Männer im Alter zwischen 17 und 30 Jahren befragt. Die meisten Teilnehmer sind aus Baden-Württemberg. Sie werden auch „High Potentials" genannt: Sie sind jung, mit dem Internet aufgewachsen und haben einen hohen Bildungsabschluss. Im ersten Teil wurden die Probanden zum Beispiel befragt, wie politikinteressiert oder internetaffin sie sind. Auch die typische Sonntagsfrage wurde gestellt. Die Fragen aus dem größeren, zweiten Teil widmeten sich konkreten Themen. Dabei geht es auch darum, ob Social-Media-Auftritte der Parteien auf Facebook oder Twitter unter den Befragten bekannt sind.

Auf einer Skala von eins bis sieben sollten die Teilnehmer angeben, wie viel sie vom Web-2.0-Angebot der Parteien im Wahlkampf mitbekommen haben. Eins steht für „Kenne ich überhaupt nicht" und sieben für „Kenne ich sehr gut". Das Ergebnis ist vernichtend: die Auftritte aller Parteien wurden mit Durchschnittswerten zwischen 1,4 (Die Linke) und 2,33 (CDU/CSU) bewertet. Selbst die Piratenpartei war da keine Ausnahme und erreichte lediglich einen Wert von 1,52 – obwohl sie in der Umfrage als Partei mit der größten Affinität zu Social Media eingeschätzt wird.

Barack Obama macht es in sozialen Medien vor

Die Parteien würden viel Potenzial verschenken, mögliche Wähler mit aktuellen Wahlinformationen zu versorgen, wird der Seminarleiter Markus Voeth von der Universität Hohenheim auf der Homepage zitiert. Ein Blick auf die US-Wahl 2012 würde helfen, zu sehen, welche Chancen sich für Politiker im Netz böten. Barack Obama habe es geschafft, viele Wähler dort zu gewinnen. „Obama hat auch mal ein Bild seines Hundes gepostet. Die deutschen Politiker sind eher unnahbar", sagt Philip Sipos, der Betreuer der Studie. Dies könne eine Ursache dafür sein, warum die „High Potentials" nichts vom Online-Wahlkampf mitbekämen.

Dabei wird das Internet für den Wahlkampf immer wichtiger. Laut einer Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom – „Demokratie 3.0 – Bedeutung des Internets für den Bundestagswahlkampf" – , die vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde, beteiligt sich jeder dritte Deutsche im Internet am Wahlkampf. Befragt wurden unter anderem junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahre. Diese Gruppe ist politisch besonders aktiv im Netz. 20 Prozent kommentieren in Online-Medien Artikel zu politischen Themen, 22 Prozent leiten E-Mails mit politischem Inhalt an Bekannte weiter, 42 Prozent bewerten in sozialen Netzwerken politische Inhalte oder teilen sie anderen Nutzern mit.

Inzwischen ist für diese Zielgruppe nicht mehr das Fernsehen oder die Zeitung, sondern vor allem das Internet das wichtigste Informationsmedium. Fast die Hälfte der jungen Befragten glaubt, dass es für den Ausgang der Bundestagswahl entscheidend sein wird, wie die Parteien das Internet im Wahlkampf nutzen. Ob die das Ruder noch herumreißen und ihre steten Bemühungen im Netz revolutionieren können, wird der 22. September zeigen. Denn wenn die „High Potentials" die Facebook- und Twitter-Angebote der Parteien erst einmal im Netz entdeckt haben, finden sie die gar nicht so schlecht.