Cyberpolizisten fahnden im Netz nach Tätern. Für die Aufregung über die NSA-Affäre haben sie kein Verständnis. Denn: Datenschutz behindert die Arbeit.

Hier fahnden die Düsseldorfer Polizisten nach Verbrechern im Netz

Hier fahnden die Düsseldorfer Polizisten nach Verbrechern im Netz

Das Gebäude am Rande der Düsseldorfer Innenstadt wirkt eher unauffällig. Nur die Kameras, die jeden Winkel überwachen, deuten darauf hin, was sich drinnen in den Büros abspielt, wo auf jedem Schreibtisch drei Bildschirme stehen. 100 Polizeibeamte sind hier im "Cyberzentrum" des Landeskriminalamtes von Nordrhein-Westfalen auf der Jagd nach Verbrechern im Internet. 

Es ist ein Knotenpunkt für das, was viele Menschen seit Wochen heftig bewegt: Ermittlungen in der Online-Welt. Die Internetpolizisten gehen in dem Düsseldorfer Gebäude, so wie in anderen Bundesländern, jeden Tag im Netz auf Streife. Sie überprüfen Daten, versuchen Verbindungen zu knüpfen und nachzuvollziehen, Verdächtige und deren IP-Adressen und digitalen Spuren zu ermitteln, um Straftaten zu verhindern oder aufzuklären, die im Internet oder mit seiner Hilfe verübt werden. 

Seit der Jahrtausendwende ist die Polizei im Netz unterwegs. Anfangs  vor allem wegen Betrügereien im Versandhandel oder auf Auktionsplattformen wie Ebay. Inzwischen werden Straftaten immer mehr im Netz geplant und verübt. Deshalb hat die Polizei einen Teil ihrer Arbeit ins Netz verlagert. In Hannover zum Beispiel fahndet die Polizei auf Facebook nach Kriminellen und Vermissten, 112.889 Nutzern gefällt das. "Tatverdächtige festgenommen," twitterte die Polizei Kaiserslautern ihren 600 Followern beim diesjährigen Fußballspiel gegen Mannheim.

Im Düsseldorfer Cybercrime-Zentrum durchstreifen zehn Mitarbeiter der Abteilung "Zentrale Internetrecherche"  jeden Tag anlasslos das Netz. Jeder hat ein Spezialgebiet, Drogen und Betäubungsmittel zum Beispiel. In einschlägigen Foren, sozialen Netzwerken und Tauschbörsen suchen sie nach Hinweisen auf Straftaten, ermitteln verdeckt.

Dass viele Nutzer im Internet nur unter Pseudonymen unterwegs sind, ist für die Ermittler in diesem Fall von Vorteil, denn auch Polizisten brauchen ihre Identität nicht preisgeben. "Keiner sollte sicher sein, dass sein Gesprächspartner kein Polizeibeamter ist und dass er immer mit Gleichgesinnten spricht", sagt Helmut Picko. Der Kriminalrat leitet eine Abteilung des Zentrums. 

Kreative Ermittlungsmethoden

Seine Internetpolizisten plaudern in Foren, befreunden sich mit Nutzern von sozialen Netzwerken, passen sich den Gewohnheiten der User an. Und dabei beobachten sie ständig. Ihre Ermittlungsmethoden seien "kreativ", was das genau bedeutet, wollen die Cybercops nicht preisgeben "Aus taktischen Gründen. Wir wollen den Tätern nicht noch Tipps geben." Sie konnten in den letzten zwei Jahren viele Fälle aufklären. Doch die Dunkelziffer ist hoch, die Anzahl der Internetstreifen noch immer zu gering. 

Vor Kurzem sagte die Kanzlerin, das Internet sei für alle "Neuland." Sie wurde dafür von Web-Aktivisten angefeindet. Stimmt, meint dagegen Axel Henrichs, ein Experte für Internet-Ermittlungen, der Polizeianwärter an der Polizeihochschule Rheinland-Pfalz ausbildet. Nicht nur für Kriminelle, sondern auch für die Polizei sei das Internet oft eine gesetzliche Grauzone. Der Jurist kennt sie alle auswendig, die Paragraphen und wo sie stehen, die neusten Gerichtsbeschlüsse. Wann Ermittler eine Wohnungen betreten dürfen, ist in der Offline-Welt zum Beispiel klar geregelt. Aber wie verhält es sich in der virtuellen Welt, wo es keine Türen und abgeschlossenen Wohnungen gibt? Gelten dort die gleichen Grundrechte wie das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung?

Die Polizei versucht die Vorschriften der realen Welt auf die virtuelle Welt zu übertragen. Doch die beiden Welten  unterscheiden sich zu sehr. Es gebe im Internet nur "andeutungsweise klare Anweisungen und Vorschriften, die jeder versteht", sagt Henrichs. Und selbst wenn es neue Gesetze gibt, sind sie oft nach ein paar Monaten schon wieder überholt, weil sich das Netz und die Technik so schnell und dynamisch entwickeln. Vor kurzer Zeit zum Beispiel speicherte man Dokumente und Dateien noch auf Festplatten oder dem PC. Wenn die Polizei einen Computer beschlagnahmte, konnten sie die gespeicherten Dokumente auswerten. Heute speichert man in Clouds, abstrakten Datenwolken, die auf Servern weltweit liegen können. "Dann sehen wir die Dateien, aber wir dürfen nicht auf sie zugreifen," sagt Picko, weil der Datensatz im Ausland liegt. So manche Ermittlung scheiterte schon an den virtuellen Ländergrenzen.