miércoles, 30 de enero de 2013

Harte Bretter Altmaiers Griff ins Perpetuum Mobile - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Es hat nur wenige Stunden gedauert, bis Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) die Reaktionen auf seine „Strompreis-Sicherung" bekam, die er befürchtet hatte. Denn wer sich mit dem „EEG" anlegt, hat es mit der Heiligen Schrift der Energiewende zu tun, deren komplizierte Welt zwar vor Paradoxien nur so strotzt, die aber so erfolgreich war wie kaum ein Gesetz davor.

Vor dreizehn Jahren wurde dieses Perpetuum Mobile in Deutschland erfunden: das „Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien", kurz Erneuerbare-Energien-Gesetz oder einfach EEG genannt. Höhere Ausgaben zur Subventionierung regenerativer Energien schufen mit dem Gesetz automatisch höhere Einnahmen und setzten damit Anreize, die wiederum zu höheren Kosten für die Subventionierung führten, und so weiter.

Die wichtigsten Bestandteile des zuletzt 2012 geänderten Gesetzes sind:

- eine Garantie, dass Wind-, Solar- und Biostrom, Wasserkraft und Geothermie vorrangig und überall ins Stromnetz eingespeist werden müssen („Einspeisevorrang");

- eine auf Jahre garantierte, je nach Energieträger festgelegte Vergütung des „grünen" Stroms, die in jedem Fall aber weit über dem marktüblichen Strompreis liegt („Einspeisevergütung"); die zugesicherten Vergütungen allein für schon bestehende Anlagen erreichen bis 2020 eine Höhe von bis zu 170 Milliarden Euro; Änderungen am EEG betrafen zuletzt vor allem eine Korrektur dieser Vergütungen, besonders im Fall der Photovoltaik;

- ein Ausgleich für die Netzbetreiber zwischen Marktpreis und Vergütung („EEG-Umlage"), die jährlich angepasst und vorausberechnet wird; sie ist mehrwertsteuerpflichtig und bringt Bund, Ländern und Gemeinden mittlerweile - letzteren je nach Intensität des Ausbaus und je nach Energieträger - milliardenschwere Einnahmen;

- schließlich Ausnahmeregelungen für stromintensive Industrie und „Eigenstromerzeuger", also Betriebe oder Privathaushalte, die ihren eigenen Strom erzeugen; die „Schwarzfahrer" dieser Regelung, wie sie im Bundesumweltministerium genannt werden, haben in den vergangenen Jahren zugenommen.

Für Windkraft, Photovoltaik und Biomasse waren diese Privilegien, die auf dem EEG-Vorläufer, dem „Stromeinspeisegesetz" von 1990 aufbauten, der Urknall. Viele Länder sind dem deutschen Modell deshalb gefolgt. In Deutschland entfaltete das EEG aber in wenigen Jahren eine Dynamik, die sich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und den ehrgeizigen Ausbauzielen der Energiewende für Windkraft und Photovoltaik in einen Wildwuchs verwandelte.

Der Urknall der Erneuerbaren

Der Urknall ist bis heute noch zu hören, auch wenn sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert haben. Es sei ein „schwerer Geburtsfehler" des EEG gewesen, schreibt Altmaier in seinem Konzept, „dass zwar Fördertatbestände geschaffen, aber keinerlei Belastungs- und Kostenobergrenzen festgelegt wurden." Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt mittlerweile bei 25 Prozent der Stromversorgung in Deutschland, im Jahr 2000 waren es nur knapp sieben Prozent. Der höhere Anteil hat nicht nur die Kosten nach oben getrieben, sondern auch die EEG-Impulse verändert, manchmal auch in ihr Gegenteil verkehrt.

Der Einspeisevorrang ist heute einer der Gründe, warum die überregionalen und regionalen Netzbetreiber vor gigantischen Investitionskosten und Koordinationsproblemen stehen, die vor wenigen Jahren noch unvorstellbar waren. Mit noch größerer Sorge wird seit einiger Zeit beobachtet, dass der Vorrang dazu geführt hat, dass sich Kraftwerke nicht mehr lohnen, die eigentlich dringend gebraucht werden: konventionelle Kraftwerke, die den größten Nachteil der „Erneuerbaren" ausgleichen - deren Unzuverlässigkeit. Denn ihr Anteil an der Stromversorgung sagt nichts über die Verfügbarkeit aus, anders gesagt: nachts scheint die Sonne nicht, und selbst auf der Nordsee weht nicht immer der Wind. Nur Wasserkraft, Geothermie und Biomasse sind uneingeschränkt „grundlastfähig".

Je größer der Anteil der EEG-Privilegierten an der Stromversorgung und je niedriger der Börsenpreis für Strom, desto weniger lohnt sich eine technisch ausgereifte Grundlastversorgung und Speicherung des Öko-Stroms (etwa in Pumpspeicherkraftwerken), die jederzeit - und das heißt: in Sekundenschnelle - abrufbar sein müssen, aber jederzeit - und das wiederum kann heißen: für die meiste Zeit - auch ruhen muss. Dieses Problem der Grundlast und jederzeit verfügbaren Kapazitäten ist bislang ungelöst.

Wie funktioniert die EEG-Umlage?

Die Vorschläge Peter Altmaiers beziehen sich auf ein anderes ungelöstes Problem, das sich aus dem Urknall des EEG ergibt. Das immer breitere Angebot erneuerbarer Energien treibt einerseits die Kosten für die Vergütung, andererseits drückt es auf den Börsenpreis, zu dem Netzbetreiber den Strom verkaufen. Um ihre Verluste auszugleichen, die sich aus der viel höheren Vergütung ergeben, erhalten sie die EEG-Umlage - die steigt, je günstiger der Öko-Strom angeboten werden kann.

Wie sich die Umlage entwickelt, ist deshalb schwer vorherzusagen. Sie kann steigen, auch wenn kein neues Windrad gebaut wird; sie kann aber auch fallen, selbst wenn immer mehr Öko-Strom produziert wird. Nur eines steht fest: Bislang war das „EEG-Konto", über das Einnahmen und Ausgaben laufen, tendenziell überzogen. Das Risiko wurde stets auf den Stromkunden abgewälzt. Altmaiers Konsequenz: Sind die Ausgaben höher als die Einnahmen, sollen alle diejenigen, die von der EEG-Umlage und ihren Ausnahmen profitieren, entsprechend ihrem Anteil dazu beitragen, dass die Ausgaben begrenzt werden.

Mit diesem Satz legt sich Altmaier mit allen Interessensgruppen an, die mit dem Perpetuum Mobile bislang gut gefahren sind. Vor allem mit den „Erneuerbaren" und ihren Herstellern, also auch mit der Industrie. Sie bezeichneten Altmaier deshalb schon am Dienstag abwechselnd als Totengräber der Energiewende oder als Totengräber künftiger Investitionen in Windparks und Solaranlagen. Da Altmaier zu den Profiteuren des EEG auch die stromintensiven Unternehmen zählt, die von der EEG-Umlage weitgehend befreit sind, wird ihm auch hier der Widerstand entgegenschlagen. Sein Konzept sieht eine Erhöhung der Mindestumlage und eine Deckelung der jeweils begünstigten Strommenge vor.

Auch die Betriebe und Hausbesitzer, die ihren Solarstrom selbst verwenden, werden nicht begeistert sein. Sie profitieren, nachdem ihnen 2012 immerhin eine Sondervergütung gestrichen wurde, immer noch davon, dass sie sich den (steigenden) Strompreis sparen und dass sie überschüssigen Strom ins öffentliche Netz einspeisen dürfen. Auch für sie sieht der Altmaier-Plan eine Mindestumlage vor.

Der Kern des Altmaier-Konzepts

Kern des Konzepts ist aber eine bis Ende 2014 gedeckelte EEG-Umlage in Höhe der jetzt veranschlagten 5,28 Cent pro Kilowattstunde, die danach jährlich höchstens um jeweils 2,5 Prozent steigen darf. Das ist eigentlich eine gute Nachricht für die erneuerbaren Energien: die Umlage darf weiter steigen. Die schlechte Nachricht: Sie darf nicht mehr so astronomisch steigen wie im vergangenen Jahr. Außerdem heißt das für neue Anlagen: Investoren müssen damit rechnen, dass die Einspeisevergütung für eine „bestimmte Anzahl von Monaten" ausgesetzt wird, bis das EEG-Konto wieder ausgeglichen ist („Energie-Soli").

Im ersten Aufschrei dieser Investoren gegen das Altmaier-Papier ging unter, dass sich diese „Sicherung" nur dann bemerkbar macht, wenn die Einspeisevergütungen den Betrag der gesetzlichen Umlage tatsächlich übersteigen. Sie sei eine „Notbremse", schreibt Altmaier. Immerhin aber rechnet er mit bis zu 500 Millionen Euro, die eine solche Bremse sparen könne. Mit anderen Worten: Altmaier rechnet mit weiter fallenden Preisen an der Strombörse und damit mit einer Umlage-Erhöhung über das von ihm gedeckelte Maß hinaus.

Altmaier bezeichnet sein Konzept selbst nicht als eine grundlegende Erneuerung des EEG, sondern als erste Korrektur, der weitere folgen müssten. Vorschläge für eine radikale Reform gibt es seit einiger Zeit, vor allem in Form von Quoten- und Zertifikatemodellen. Wie empfindlich solche Modelle sein können, zeigt sich derzeit im Handel der Emissions-Zertifikate. Auch da hat das EEG seine Spuren hinterlassen. Weil so viele „Erneuerbare" auf den Markt drängen, verfallen die Preise für die Zertifikate - ein schlechter Anreiz, Kohlendioxid zu vermeiden.

Auch Wirtschaftsminister Rösler (FDP) hat ein solchen Quotenmodell im Kopf, wenn er von einem „großen Wurf" spricht, der Altmaiers Plan nicht sei. Doch jede EEG-Reform, eine radikale noch mehr als jede moderate, stößt an eine Grenze: das Perpetuum Mobile der Subventionen ist zwanzig Jahre lang zugesichert.

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