jueves, 31 de enero de 2013

Sexismus - Die Frau hinter dem #aufschrei auf Twitter - Frankfurter Rundschau

Anne Wizorek bringt Tausende Frauen auf Twitter dazu, sich in die Sexismus-Debatte einzumischen. Viele zeigen den Mut, über ihre eigenen Erlebnisse zu berichten. Wizorek geht es nicht nur um einen anzüglichen FDP-Politiker, sondern um den modernen Feminismus.

Die Hilfe kam aus den USA. Die New Yorker Feministin Deanna Zandt schrieb am vergangenen Sonntag: „Helft @marthadear bei ihrem großen Sexismus-Interview". Hinter @marthadear verbirgt sich Anne Wizorek, die Twitter-Aktivistin, die Tausende Frauen zum Aufschreien über Sexismus brachte. Am Sonntag hatte sie ihren ersten großen Auftritt bei Günther Jauch – und ließ sich vorher von amerikanischen Feministinnen coachen. Auch Jaclyn Friedman, Autorin des Bestsellers „Yes means Yes – Visions of Female Sexual Power", gab Tipps. Nicht als unglückliches Opfer auftreten, lautete einer.

Zandt, Friedman und Jessica Valenti, vom Guardian als eine von hundert einflussreichsten Frauen gekürt – das sind die Vorbilder von Wizorek, die in Deutschland die große Sexismus-Debatte mit anstieß. Sie hat nie in den USA gelebt, liest aber wichtige amerikanischen Blogs wie Feministing.com. Inzwischen kennt sie Aktivistinnen wie Deanna Zandt persönlich.

Mit Alice Schwarzer und dem eher theorielastigen deutschen Feminismus kann sie hingegen nicht so viel anfangen. Während der Jauch-Sendung behandelte Alice Schwarzer die Jüngere mit herablassendem Wohlwollen, sprach sie mit „Anne" an, als würden sie sich ewig kennen. „Ich fand das komisch, aber wir haben uns nach der Sendung noch nett unterhalten", sagt Wizorek. „Ich schätze, was sie für den Feminismus getan hat , aber sie ist nicht mehr auf dem neuesten Stand", sagt Anne Wizorek in einem Café in Prenzlauer Berg, zwei Tage später. Sie wirkt robuster als im Fernsehen, trägt ein enges Shirt, Jeans, Stiefel. Bevor sie als Twitter-Aktivistin bekannt wurde, beriet sie Firmen wie die Schweizer Bundesbahn oder die Deutsche Welle bei ihrer Online-Strategie.

Es geht auch um Homophobie und Rassismus

Sie bezeichnet sich selbstbewusst als Feministin, organisierte 2011 den ersten Slutwalk in Berlin mit. Anne Wizorek, aufgewachsen in Rüdersdorf bei Berlin als Tochter einer emanzipierten Ost-Frau, ist 31, sie gehört zu einer Generation, von der man gar nicht dachte, dass sie Feminismus noch nötig hätte. „Uns wurde als Mädchen gesagt, dass wir alles erreichen können, aber dann erleben wir, dass wir doch in einer männerdominierten Gesellschaft leben, die antiquierte Vorstellungen von Gleichberechtigung hat", sagt sie. Es gehe nicht mehr nur um die Diskriminierung von „Menschen mit Gebärmutter", wie sie Frauen nennt, sondern auch um Homophobie und Rassismus. Das ist der Moment, in dem Wizorek, die sonst so klar redet, etwas beliebig klingt.

Sie habe viel von ihrer Mutter, einer Maschinenbauingenieurin gelernt. „Wenn jemand nach dir pfeift, dann ignoriere das, man pfeift nur nach Vieh", habe ihr die Mutter beigebracht. Sie studierte Literatur, brach das Studium aber ab, weil sie „etwas bewegen" wolle.

Die Idee mit der Twitteraktion #Aufschrei kam ihr nachts, als sie im Schlafanzug am Computer saß – und hatte mit dem heiß diskutierten Brüderle-Artikel nur indirekt zu tun. Sie las einen Blog, der sich mit der Kampagne Everydaysexism in Großbritannien beschäftigte. Dort werden seit Anfang Januar Erfahrungen von Frauen unter dem Hashtag shouting back gesammelt. Sie schlug etwas Ähnliches für Deutschland vor. Über 60.000 Beiträge kamen zusammen, manches bewegend, manches banal. Wizorek schrieb über einen „Typ, der mich begrapschte und dem ich dann fast die Hand brach. Und mein damaliger Freund, der mich peinlich fand."

Fronten zwischen Jung und Alt

Es ist wie ein Ausbruch, und die Fronten verlaufen weniger zwischen den Geschlechtern, sondern eher zwischen Jung und Alt.

Wizorek ist wichtig, dass es nicht nur um einen anzüglichen FDP-Politiker geht. Brüderle, der offenbar nie gelernt habe, Grenzüberschreitungen wahrzunehmen, sei nur nur ein Puzzleteil der Debatte, sagt sie.

Hunderte Mails hat sie seit Beginn der Debatte bekommen, in denen Männer ihr sagen, sie müsste „nur mal wieder ordentlich durchgefickt" werden. Sie wird in den Medien herumgereicht, die ersten werfen ihr Profilierungssucht vor. Sie genießt den Rummel, meistens jedenfalls. „Bald wird auch noch Frauke Ludowig anrufen", schreibt sie auf Twitter. Einer Kollegin, die bei der Welt arbeitet, will sie allerdings kein Interview geben, weil die Welt einen für Wizorek inakzeptablen Kommentar druckte.

Was sagt sie den Männern, die jammern, sie würden nicht mehr wissen, ob sie Frauen ein Kompliment machen dürften? „Ich finde es gut, dass Männer jetzt auch mal über sich selbst nachdenken."

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