miércoles, 11 de septiembre de 2013

Liebesbeziehung auf Facebook Uns wurde ganz süß zumute - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

© Philip Lisowski

Meizi ist 26 und seit sechs Jahren mit Andreas alias Baozi zusammen. Auf Facebook verdient sie mit Product Placements inzwischen mehr als in ihrem alten Job als Tourismuskauffrau.

Am 4. Juni dieses Jahres schreibt Meizi auf ihrer Facebook-Seite: „Vor lauter Aufregung möchte ich jetzt kreischen!!!!!!!!!!!!! Gerade habe ich ganz liebevoll zu Baozi gesagt: Wie wär's, wenn wir im Juni eine kleine Reise machen, drei Tage, zwei Nächte?" 57 Personen kommentieren das. 5259 Personen gefällt das.

Für die sechsundzwanzigjährige Taiwanerin, die nur mit Spitznamen Meizi und eigentlich Hsu Li Ting heißt, ist es nicht ungewöhnlich, mit ihren Glücks- und Liebesbekundungen regelmäßig Tausende von Facebook-Fans zu erreichen. 112 525 Personen gefiel ihre Facebook-Seite am vergangenen Freitag. Um das mal in Relationen zu setzen: Nora Tschirner kommt in dem weltweit größten sozialen Netzwerk auf rund 62 000, die offizielle Seite von Matthias Schweighöfer auf gut eine Million Likes.

Ein bis fünf Posts hinterlässt Meizi täglich im Strom der Kurzmitteilungen. Und Baozi, der im analogen Leben ihr Verlobter ist und Andreas Baumeister heißt, ist ihr Garant für hohe „Gefällt mir"-Zahlen. Garniert mit schönen Fotos des Paars, knacken die Klickzahlen dann schon mal die 20 000-Marke.

Giraffe und Zwerg

„Am 17.12.2007 verliebten sich Baozi und Meizi", erklärt die Info-Rubrik von Meizis Facebook-Seite, die den Titel „Der deutsche Baozi + die taiwanische Meizi" trägt. In der Beschreibung der Seite heißt es außerdem programmatisch: „Hier teile ich das süße LOVE-Tagebuch von Baozi und Meizi." Tatsächlich geht es um nichts anderes: Auf Facebook kommentiert die Tourismuskauffrau Meizi ihre Beziehung mit dem bayrischen Karosseriemodellbauer Andreas Baumeister, genannt Baozi.

Doch Meizi ist mit ihrem chinesischen Liebesgezwitscher nicht alleine. Schaut man sich auf Facebook um, findet man Dutzende Seiten, auf denen junge Taiwanerinnen von ihren Liebschaften mit - überwiegend - westlichen Freunden schwärmen. Die Seiten heißen beispielsweise „Das Wunderland der Giraffe und des Zwergs" oder „Die fantastische Reise von Alisa und Benjamin" und ziehen Tausende von Fans in ihren Bann.

Mit mehr als 100 000 Fans aber ist Meizi Spitzenreiterin unter den taiwanischen Beziehungsbloggerinnen. Der in Taiwan lebende slowenische Blogger Nino Novak veröffentlichte im Juni eine Liste mit 25 taiwanisch-ausländischen Beziehungsprofilen und fragte im Titel des Blogeintrags: „Are white guys status symbols for Taiwanese girls?" - Sind weiße Männer Statussymbole für taiwanische Mädchen?

© Philip Lisowski

Bis zu fünf Posts schreibt Meizi jeden Tag.

Baozi macht jetzt Bachelor in chinesischer Literatur

Ein Nürnberger Julitag, Sonnenstrahlen löchern den wolkenverhangenen Himmel, ab und an fällt Nieselregen. Meizi, zu Besuch in Deutschland, trägt Minirock, rosa Ballerinas und eine hellblaue Handtasche. Sie überlegt, wie sie auf die Idee kam, eine chinesische Beziehungsseite einzurichten. „Ich wollte das einfach mal ausprobieren", sagt sie zu ihrer Facebook-Offensive. Und warum ist es in Taiwan en vogue, über Beziehungen mit Ausländern zu bloggen? Sie schüttelt den schwarzen Pony, blickt zu Baozi, der neben ihr am Cafétisch sitzt.

Das sei nicht so einfach, meldet sich Baozi zu Wort, der nach der Karosseriemodellbau-Ausbildung in Taiwan Chinesisch lernte, schließlich ein Studium der chinesischen Literatur begann und gerade ein Urlaubssemester nimmt, um in Deutschland „ein paar private Sachen zu regeln". „Einige taiwanische Männer sind sehr traditionell und gehen nicht so auf Frauen ein", sagt er. „Manche Frauen sind deshalb nicht so zufrieden mit ihnen und haben besonderes Interesse an westlichen Ausländern." Meizi blickt ihn aus den Augenwinkeln an. „Bei uns war das natürlich nicht so", beeilt er sich zu erklären, „es hat halt einfach gepasst."

Der neunundzwanzigjährige Zirndorfer, Kurzhaarschnitt, Kruzifix um den Hals, reiste 2007 zum ersten Mal mit einem deutsch-taiwanischen Freund nach Taiwan. Die herzlichen Menschen, die atemberaubende Natur: Die Insel gefiel ihm. Zudem lernte er Meizi kennen. Und blieb. Nach etlichen Sprachkursen ließ ihn eine taiwanische Hochschule zum Studium zu, und er schrieb sich für einen Bachelor in chinesischer Literatur ein. „Am liebsten mag ich die Gedichte der Sechs Dynastien und die Lyrik der Song-Dynastie", sagt der Student, der vor wenigen Jahren noch Kohlefaserteile für die Armaturen deutscher Autos herstellte.

Auch den Spitznamen hat er seiner literarischen Ader zu verdanken. Die großen Namen der klassischen chinesischen Literatur enden meist auf ein „zi", was so viel wie „Meister" bedeutet, etwa bei „Kongzi" (Konfuzius) oder „Mengzi" (Menzius). So wurde aus seinem chinesischen Namen Bao Ande kurzerhand Baozi.

„Das ist schon so ein Phänomen", sagt Baozi. „In Taiwan gibt es wirklich Mädchen, die nur weiße Ausländer als Freunde haben, Amis, Südafrikaner, Europäer. Das hat auf jeden Fall mit der Geschichte Taiwans zu tun, mit der Rolle der Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Einfluss amerikanischer Kultur." Natürlich dürfe man nicht alle Taiwanerinnen über einen Kamm scheren, das wisse er selbst ja am besten, aber merkwürdig sei das schon.

Wie findet er es eigentlich, dass Meizi auf einer Facebook-Seite Details ihrer Beziehung in der Öffentlichkeit ausbreitet? „Ich bin nicht so begeistert davon, aber in der Regel bestimme ich mit, was veröffentlicht wird. Und ein bisschen muss man den Leuten ja bieten."

Für westliche Liebe gibt es ein eigenes Schimpfwort

Die überwiegend weibliche Fangemeinde der Facebook-Seite „Der deutsche Baozi + die taiwanische Meizi" hinterlässt meist bewundernde Kommentare, etwa: „Ich bin bewegt! (Heul, heul) Ich spüre die Aufmerksamkeit und den Einsatz von Baozi für Meizi. So sweet ^^ Ihr werdet bestimmt sehr glücklich sein! Wünsche euch alles Gute~~~." Manchmal aber mischen sich männliche Rowdys unter die Kommentatoren. Dann ändert sich der Tonfall, und es fallen wüste Beschimpfungen. „Die unterstellen mir, dass ich Ausländer blind vergöttere", sagt Meizi. „Aber da bin ich kein Einzelfall. Die schmeißen dann alle Frauen, die eine Beziehung mit einem Ausländer führen, in einen Topf."

© Philip Lisowski

Meizi und Baozi: „Ein bisschen muss man den Leuten ja bieten"

Sogar ein eigenes Schimpfwort haben chinesische Männer gefunden, um junge Frauen, die nur mit Westlern Liebesbeziehungen eingehen, zu diffamieren. Darauf angesprochen, antwortet Meizi, ohne das Wort „Xicanmei" selbst zu benutzen. „Xican" bedeutet „westliche Küche", „Mei" heißt „jüngere Schwester" beziehungsweise „Mädchen, junge Frau". Wörtlich übersetzt ist eine „Xicanmei" ein „westliches Küche-Mädchen". In vielen seriösen Quellen ist zu lesen, dass der Ursprung des Wortes in Taiwan und nicht etwa in anderen chinesischsprachigen Ländern, zum Beispiel China oder Singapur, liegt.

„Die Vorliebe der Frauen für Westler und die Schmähworte der Männer sind zwei Seiten derselben Sache", sagt der Psychologe Cheng Wei-Chuan, der kürzlich ein Buch über Liebespsychologie veröffentlicht hat und nun für ein Skype-Interview im Café eines großen Buchladens in Taipeh sitzt. „In den taiwanischen Medien kursieren Stereotype von Westlern, „die sie für Frauen attraktiv machen. Aber die demonstrative Vorliebe für Westler führt zu Frust und Wut unter den taiwanischen Männern."

Auf die Inhalte kommt es an

Die These seines letzten Aufsatzes, den er auf der populärwissenschaftlichen Internetseite PanSci.tw veröffentlich hat, musste er allerdings revidieren. Er hatte darauf hingewiesen, dass es keine statistischen Indizien dafür gebe, dass es Xicanmei wirklich gebe. Das taiwanische Magazin „Business Weekly" empfahl den Aufsatz auf seiner Internetseite. Prompt hagelte es massive Kritik. Zu theorielastig, zu wenig taiwanische Quellen, lautete der Tenor. Cheng ruderte zurück. In einem zweiten Artikel räumte er ein, dass es den Frauentyp der Xicanmei wohl doch gebe, mahnte aber zu mehr Besonnenheit in der hitzig geführten und zuweilen nationalistisch gefärbten Diskussion.

„Taiwan ist ein komischer Ort", sagt Cheng mit Kopfhörern über den Ohren, „wir wurden von Portugiesen, Holländern, Spaniern, Japanern und Amerikanern kolonisiert. Bis heute messen wir uns an importierten Schönheitsidealen und führen zu diesen Ländern und uns selbst eine Hassliebe." Dass die Vereinigten Staaten Taiwan nicht kolonisierten, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg mit USAID, Coca-Cola und Rock'n' Roll gegen den festlandchinesischen Kommunismus verteidigten, übergeht der Psychologe in seiner Erklärung.

Könnte ein taiwanisch-taiwanisches Beziehungsblog den gleichen Bekanntheitsgrad erreichen wie „Der deutsche Baozi + die taiwanische Meizi"? Die Taiwanerin meint: „Es kommt drauf an, was für Inhalte man mit den Fans teilt." Der Deutsche ergänzt: „Schon möglich, die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer. Immerhin ist unsere Seite für Taiwaner etwas Neues, und sie können etwas über Deutschland lernen." Psychologe Cheng Wei-Chuan sagt: „Im Netz ist das genauso wie in der analogen Welt: Weiße erregen in Taiwan einfach mehr Aufmerksamkeit."

Meizi und Baozi wollen heiraten

Meizi und Baozi jucken die sporadischen Schmähungen daher nicht. Am 17. Dezember 2013, dem sechsten Jahrestag ihrer Beziehung, wollen sie in Taiwan heiraten. Auch in Zukunft wird Meizi ihre Facebook-Seite fleißig füttern. Ihr Internetruhm machte sie zu einer gefragten Werbefigur für taiwanische Kosmetik- und Bekleidungsfirmen. Derzeit verdient sie mit ein bis zwei Product Placements pro Woche mehr als mit ihrem letzten Job im Kundenservice eines großen taiwanischen Lebensmittelunternehmens. „Bei Interesse an Kooperation schicken Sie bitte eine E-Mail", steht auf ihrer Facebook-Seite.

Am 3. September - Meizi ist inzwischen zurück nach Taiwan geflogen, Baozi wird ihr bald folgen - schreibt Meizi auf „Der deutsche Baozi + die taiwanische Meizi": „Nichts in einer Fernbeziehung ist schmerzlicher als die Zeitverschiebung. . . An zwei Enden der Welt gehen wir getrennt unseren Leben nach. So können wir täglich nur warten; warten, bis der andere online ist. Gestern Abend um 23:00 schrieb ich Baozi eine Nachricht: Schatz, wenn ich täglich die Nacht durchmache, um auf dich zu warten, ist das echt sehr anstrengend. Später versprach mir dieser Mann, in Zukunft erst online zu gehen und dann seine anderen Sachen zu erledigen. Als wir das fertig besprochen hatten, wurde uns beiden aus Versehen ganz süß zumute und wir schätzten uns noch mehr."

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