miércoles, 11 de septiembre de 2013

"Mobbing im Internet ist subtiler und effektiver" - DIE WELT

Der Tod der 15-jährigen Schülerin Amanda Todd aus Kanada bewegte im vergangenen Jahr die Welt. Das Mädchen hatte im Chat vor einem Fremden mit Hilfe einer Webcam ihren Oberkörper entblößt. Der Mann verbreitete das Bild im Internet, woraufhin sie in der Schule gemobbt wurde. Drei Jahre später nahm Amanda Todd sich das Leben – in einem Youtube-Video berichtete sie zuvor mit handgeschriebenen Sätzen über ihr Martyrium.

Weil diese Form des Mobbings auch in Deutschland zunimmt, findet an diesem Mittwoch in der Berlin der erste Internationale Cybermobbing-Kongress unter Schirmherrschaft von Familienministerin Kristina Schröder statt. Die Sozialpsychologin Catarina Katzer, 40, vom Bündnis gegen Cybermobbing in Köln ist dort eine der Referenten.

Die Welt: Wie verbreitet ist Cybermobbing ein Deutschland wirklich?

Catarina Katzer: Rund 20 Prozent bis ein Drittel der Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren in Deutschland sind in Cybermobbing involviert – als Täter oder Opfer. Unsere Studie vom Mai hat zudem gezeigt, dass immer mehr Grundschüler von Cybermobbing betroffen sind. Das bestätigte auch unsere Lehrerbefragung.

Die Welt: Was genau weiß man über die Betroffenen?

Katzer: Die größte Gruppe ist diejenige, die immer involviert ist – also sowohl im realen Leben in der Schule als auch im Internet. Das gilt für Opfer wie für Täter. Darüber hinaus gibt es eine Gruppe – etwa 24 bis 30 Prozent – die nur Täter oder Opfer im Internet sind.

Die Welt: Was weiß man über diese zweite Gruppe?

Katzer: Bei den Tätern handelt es sich oft um Jugendliche, die im normalen Leben unauffällig sind und das Netz als Spielwiese im scheinbaren Schutz der Anonymität nutzen, um zu testen, wie böse sie sein können. Bei den Opfern sind es oft Jugendliche, die aus Neugierde auf Hass- und Prügel-Webseiten landen und durch erste Kommentare dann selbst zu Opfern werden. Auch bestimmte Verhaltensweisen unterstützen, dass manche Jugendliche eher zu Opfern werden.

Die Welt: Welche?

Katzer: Zum Beispiel wenn Jugendliche allzu freimütig einem großen Freundes- und Bekanntenkreis in sozialen Netzwerken mitteilt, dass man Liebeskummer oder sonstige private Probleme hat. Wir müssen Jugendlichen immer wieder klar machen, wie wichtig es ist, wem sie was im Internet von sich preisgeben.

Die Welt: Sind Mädchen da gefährdeter Opfer zu werden als Jungen?

Katzer: Das lässt sich nicht so eindeutig sagen. Wir haben in unserer großen Studie festgestellt, dass eher mehr Mädchen als Jungen involviert sind. Ältere Studien zeigen dagegen meist, dass mehr Jungen Täter sind. Bei der Opferseite kann man oft gar keine signifikanten Unterschiede erkennen. Was man in jedem Fall sagen kann ist, dass der Anteil der Mädchen in den letzten Jahren gestiegen ist – auch unter den Tätern.

Die Welt: Wird in der realen Welt anders gemobbt als in der virtuellen?

Katzer: Mobbing im Internet ist subtiler, effektiver und manipulativer. Lügen, Gerüchte lassen sich schneller verbreiten und erreichen eine breitere Masse. Wenn jemand in der Klasse gehänselt wird, oder Briefchen über jemanden verbreitet werden, bekommt das nur ein begrenzter Teil von Mitschülern mit. Im Internet verbreiten sich solche Lügen und Verleumdungen in Windeseile in das gesamte Umfeld.

Hinzu kommt, dass mit Hilfe von gefälschten Videos oder Photoshop schlimmste Verleumdungen mit scheinbaren Beweisbildern oder Videos gestützt werden. Alle, die ein Foto von einem Mädchen sehen, dass sich nackt zeigt, denken dann, warum stellt sie auch so etwas ins Netz? Dabei ist es ein gefaktes Foto. In der realen Welt handelt es sich häufiger um physische Gewalt, auch Erpressungen und Druck. Potenziert wird es, wenn beides zusammen kommt, also jemand verprügelt wird und mit dem Video im Internet zusätzlich gequält wird.

Die Welt: Wenn sich ein gemobbter Jugendlicher aus Verzweiflung das Leben nimmt, nimmt die Öffentlichkeit daran Anteil – wie im Fall von Amanda Todd. Was kann man tun, um rechtzeitig zu erkennen, in welcher Notlage diese Jugendlichen sind?

Katzer: Oft bekommen viele Erwachsene – aber auch Freunde – erst einmal gar nicht mit, was da passiert. Gemobbt zu werden, ist wahnsinnig peinlich, oft haben Jugendliche auch Angst, dass ihnen der Zugang zum Internet verboten werden könnte. Sie fürchten, nicht verstanden zu werden. Daher ist es zunächst wichtig, auf Veränderungen zu achten: Sacken Leistungen plötzlich ab? Ist jemand aus unerfindlichen Gründen verschlossen? Verzichtet auf Essen? etc.

All das können Anzeichen für eine Notsituation sein. Dann ist es erst einmal ganz wichtig zu signalisieren, ich bin für dich da und höre zu. Bei Amanda Todd war es ja sogar so, dass sie regelrechte Hilferufe bei Youtube eingestellt hat, aber niemand hat darauf reagiert. Wir müssen uns mehr dafür sensibilisieren, wie sich jemand in unserem Umfeld verändert. Wenn wir denjenigen ein Gefühl von Vertrauen vermitteln, so dass sie sich mitteilen, ist viel gewonnen.

Die Welt: Und was kann man dann konkret tun, wenn sich ein Jugendlicher erzählt, ich werde gemobbt?

Katzer: Man sollte zunächst versuchen, mit dem Jugendlichen herauszufinden, was er möchte. Fragen, wie willst du mit der Situation umgehen? Ganz wichtig ist auch, die Schule zu informieren. Aber nicht anklagend und Täter vorführend – das kann im Zweifelsfall die Situation für das Opfer sogar noch verschlimmern, sondern nüchtern und sachlich. Die Schule muss wissen, dass so etwas passiert. Wenn möglich, ist es ratsam, die Eltern der Täterseite mit ins Boot zu holen, sich mit ihnen auszutauschen.

Denn meist wird schnell klar, dass die Opfer die Täter kennen und diese in ihrem Umfeld zu finden sind. Nach Gründen für das Mobbing suchen. Aber vor allem müssen die Taten sanktioniert werden, damit ihnen klar wird, dass sie Grenzen überschritten haben.

Die Welt: Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, gegen Cybermobbing vorzugehen?

Katzer: Viele Formen von Mobbing wie Erpressungen, Drohungen oder das Verbreiten von Lügen und Verleumdungen sind Vergehen nach dem Strafgesetzbuch. Man kann dazu auch Strafanzeige stellen und das wissen viele Täter nicht. Die wenigsten kennen die rechtliche Lage und deshalb ist es auch so wichtig, ihnen das klar zu machen.

Es gibt auch privatrechtliche Möglichkeiten, also wenn jemand psychisch so betroffen ist, dass er nicht mehr in die Schule gehen kann, dass er krank wird, Psychotherapien in Anspruch nehmen muss, dann kann man die Täter natürlich auch auf Schadenersatz verklagen.

Die Welt: Wie häufig passiert das?

Katzer: Selten. Weil viel zu wenige davon überhaupt wissen. Oft werden auch keine Beweise gesammelt, also Screenshots vom Mobbing gemacht oder Protokolle notiert. Ein Problem ist, dass wir keine Vorratsdatenspeicherung haben. Schon nach einer Woche lassen sich Daten oft nicht mehr rekonstruieren und die Strafverfolgung wird dann schwer.

Die Welt: Braucht Deutschland ein Cybermobbing-Gesetz?

Katzer: Darüber sollte man zumindest diskutieren. In Kanada wird über ein solches nachgedacht, in einigen US-Bundesstaaten gibt es das schon. So ein Gesetz würde mehr Aufmerksamkeit schaffen und Tätern würde es zeigen: Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt.

Die Welt: Wird genug aufklärt?

Katzer: Leider nicht. Zwar gibt es inzwischen etliche Schulen, die tatsächlich aufklären und etwas tun. Aber sie bekommen so gut wie keine Hilfestellungen, das heißt sie müssen sich Infos, Referenten, etc. selbst zusammensuchen, womit einige Schulen überfordert sind. Die Schulen werden allein gelassen mit dem Problem. Im Grunde müsste im Curriculum ein Fach Medienerziehung verankert werden, das sich rundum mit dem Thema digitale Medien befasst und in dem Zusammenhang auch Cybermobbing behandelt. Das alles muss Teil der Lehrerausbildung werden.

Die Welt: Welche Webseiten sind besonders anfällig für Cybermobbing?

Katzer: Es gibt viele kleinere Webseiten, die regelrechte Hass-und Prügelportale sind ähnlich wie IShareGossip. Auch Seiten wie ChatRoulette, einer Speeddatingseite im Netz, wird zum Beispiel nicht nur gemobbt, sondern auch ganz klar sexueller belästigt. Aber im Grunde sind die großen Seiten wie Facebook und Co, die wichtigsten Plattformen im Zusammenhang mit Cybermobbing, weil sich hier die meisten Menschen tummeln und somit auch erreicht werden können.

Die Welt: Welche Verantwortung tragen die Anbieter solcher Seiten?

Katzer: Meiner Meinung nach eine große. Sie müssten stärker eingreifen, im Zweifelsfall auch Kontrollen ausüben und wenn sie sagen, sie können das nicht, dann sollten sie zumindest auf der Startseite, auf das Problem und auf Hilfen hinweisen. Im besten Fall sollten sie eine Hotline anbieten. Aber jeder trägt Verantwortung: Wir brauchen mehr Zivilcourage im Netz. Wenn jemand mitbekommt, dass da jemand fertig gemacht wird, sollte man eingreifen und das melden.

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