lunes, 11 de febrero de 2013

Wahlkampf im Internet Steinbrück: Habe mit „Peerblog“ nichts zu tun - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Verhältnis Peer Steinbrücks zu Hans-Roland Fäßler hat schon einmal ein parlamentarisches Verfahren in Gang gesetzt. 2004 wollte die CDU-Landtagsfraktion vom damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten wissen, ob dieser auf Steuerzahlerkosten die Hilfe des Geschäftsführers der Beratungsgesellschaft Polimedia beansprucht habe. Die Düsseldorfer Staatskanzlei erwiderte die Kleine Anfrage umgehend: Weder die Landesregierung noch Steinbrück hätten Fäßler „in irgendeiner Form entgeltlich beauftragt", beide seien einander „freundschaftlich verbunden", bei ihren Kontakten handele es sich um „keine dienstlich veranlasste Beratung im kommerziellen Sinne". Die Beziehung sei honorarfrei, Reisekosten und Spesen übernehme der Berater selbst.

Dieses Konstrukt haben Steinbrück und Fäßler, die sich Mitte der achtziger Jahre in Düsseldorf kennenlernten, auch nach der Nominierung Steinbrücks zum SPD-Kanzlerkandidaten im Herbst vergangenen Jahres gewählt: Fäßler ist eine zentrale Figur des Wahlkampfteams, Mitglied des Steuerungskomitees, jedoch besteht weder ein Arbeits- noch Werk- noch Beratervertrag mit dem Willy-Brandt-Haus. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Fäßler ist nicht auskunftspflichtig. Er kann sich bei seinen Streifzügen durch Berlin stets aussuchen, wer er sein möchte: der frühere Journalist, der in jovialem Ton mit Kollegen klönt, der freundschaftliche Berater des Kanzlerkandidaten, der Einschätzungen abgibt, aber nicht als Quelle genannt werden möchte, oder doch lieber der Unternehmensberater, der mit Verweis auf seine geschäftlichen Interessen und die seiner Kunden gar nichts sagt. Jedenfalls nichts Zitierfähiges.

In der Causa „peerblog", jenes inzwischen eingestellten Blogs, den die Bundestagsverwaltung aufgrund seiner anonymen Finanzierung auf mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz untersucht, möchte Fäßler am liebsten Letzteres sein. Bekannt ist, dass Steinbrück, Fäßler sowie der frühere Journalist und offizielle Blogbetreiber Karl-Heinz Steinkühler im Herbst vergangenen Jahres - während des medialen Sturms wegen der Vortragshonorare - zusammensaßen und über die Idee eines Blogs diskutierten. Dieser sollte eine virtuelle Gegenöffentlichkeit wider die „Gatekeeper" des traditionellen Journalismus schaffen. Doch schon auf die Frage, ob Steinkühler oder Fäßler der Ideengeber gewesen sei, bekommt man unterschiedliche Antworten. In der SPD heißt es, Fäßler habe das eingefädelt und Steinkühler nur umgesetzt. Fäßler selbst schweigt dazu. Steinkühler ebenso. Auch zu der Frage, ob Fäßler Steinkühler die angeblichen fünf Geldgeber vermittelt habe, möchte sich der Kanzlerkandidatenberater öffentlich nicht äußern. Nur, dass er sie kenne, sagt er. Freilich, wer ist er, dem unabhängigen Unternehmer Steinkühler zu sagen, was dieser zu veröffentlichen habe.

Es rankt sich manche Legende um „Wir in NRW"

In einem Punkt gleicht das Verhältnis Steinbrück/Fäßler der Beziehung Fäßler/Steinkühler: Was auch immer beide gemeinsam aushecken, formell-geschäftlich geht es zwischen den beiden, die sich Ende der neunziger Jahre begegneten, nicht zu. So baut sich ein Konstrukt auf, das es formal gar nicht gibt. Steinbrück und Steinkühler? Kennen einander - fast möchte man sagen: flüchtig - seit vielen Jahren, als der eine Minister unter Wolfgang Clement war und der andere Landeskorrespondent der Zeitschrift „Focus".

Bis 2009 war Steinkühler Leiter des Düsseldorfer „Focus"-Büros. Dann machte er sich selbständig. Zu den ersten Kunden seiner Agentur „steinkühler-com" zählte Steinbrück. Der frischgebackene Medienmanager Steinkühler vermittelte den ehemaligen Bundesfinanzminister im November 2010 an die Großbank Société Générale für einen seiner 15.000-Euro-Vorträge. Das ist seit der Veröffentlichung der Nebeneinkünfte-Liste Steinbrücks im Herbst 2012 bekannt. Seit Frühjahr 2010 bekannt ist die Rolle, die Steinkühler bei einem anderen intransparenten Internetprojekt namens „Wir in NRW" spielte. Der Blog war vom früheren stellvertretenden Chefredakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", Alfons Pieper, gegründet worden und machte in der Endphase des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfs 2010 vor allem mit offenbar von einem Maulwurf zur Verfügung gestellten internen Dokumenten aus der CDU-Landeszentrale auf sich aufmerksam. Um den Blog, der von früh an im Ruch stand, viel weniger unabhängig zu sein als behauptet, rankt sich manche Legende. Die tatsächlich für die CDU besonders schädliche Causa „Rent a Rüttgers" (aus Dokumenten ging hervor, dass findige PR-Berater der NRW-CDU geplant hatten, Gespräche mit dem Ministerpräsidenten für teures Geld zu vermarkten) wurde beispielsweise nicht durch den Blog, sondern durch die Zeitschrift „Spiegel" bekannt.

Lukrative Aufträge eines Ministeriums

Dafür betrieben die Macher von „Wir in NRW", die sich gerne als die wahren Wahrer der Pressefreiheit in Nordrhein-Westfalen gerierten, noch umfassendere Obstruktion als nun die Macher des so schnell verglühten „peerblog". Fast alle Blog-Autoren von „Wir in NRW" traten nicht mit offenem Visier, sondern unter Pseudonymen wie „Theobald Tiger" oder „Thomas Brackheim" auf. Als Erster berichtete dann Wolfgang Lieb im April 2010 in seinem Blog „nachdenkseiten", dass Steinkühler einer der anonymen Autoren sei. Lieb, ein linker Sozialdemokrat, der früher Regierungssprecher von Johannes Rau war, hatte sich vor allem über einen Beitrag über das TV-Spitzenduell Rüttgers/Kraft in „Wir in NRW" geärgert. Bemerkenswert an dem in abfälligem Ton gehaltenen „Wir in NRW"-Beitrag war auch ein anderer Umstand: Der anonyme Autor erweckte den Eindruck, das Fernsehduell gemeinsam mit Sigmar Gabriel und dem weißweintrinkenden Peer Steinbrück von einer Kölner Kneipe aus beobachtet zu haben. Wolfgang Lieb bestätigt dieser Zeitung, dass sich Steinkühler nie dagegen gewehrt hat, von ihm als einer der anonymen Blogger im Propaganda-Medium „Wir in NRW" geoutet worden zu sein. Steinkühler dementierte später auch entsprechende andere Berichte nicht. Rechercheanfragen dieser Zeitung ließ Steinkühler unbeantwortet.

Trotz der recht professionellen Verschleierung wird nach und nach Bemerkenswertes deutlich. Angela Gareis, die laut Branchendienst „kress.de" einst mit Steinkühler zusammenarbeitete, half 2011 dabei, aus Beiträgen von „Wir in NRW" ein Buch mit dem Untertitel „Wie Journalisten im Netz ein Schweigekartell aus Politik und Medien brechen" zusammenzustellen. Frau Gareis ist heute Sprecherin des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Michael Groschek (SPD).

Nach dem Regierungswechsel in Düsseldorf erhielt die eben erst neu gegründete Steinkühler-Agentur lukrative PR-Aufträge des SPD-geführten Familienministeriums. Als das 2012 bekannt wurde, versicherte ein Regierungssprecher, bei der Vergabe sei alles vorschriftsmäßig abgelaufen, parteipolitische Motive gebe es nicht.

Tiefe Resignation im Willy-Brandt-Haus

2010 war ein anderer erstaunlicher Vorgang bekanntgeworden. Als die Staatsanwaltschaft Düsseldorf versuchte zu ermitteln, wer die interen CDU-Dokumente entwendet hatte, führte eine Spur ins Ruhrgebiet. Bei Recherchen war herausgekommen, dass einige der Dokumente in der Gelsenkirchener Zentrale des Unternehmens Gelsenwasser eingescannt worden waren. Der Scanner hatte dabei seine technischen Kennziffern („footprints") hinterlassen. Die Gelsenwasser AG wehrte sich damals vehement gegen den Vorwurf, es könnte zwischen dem Unternehmen und dem CDU-Maulwurf einen Zusammenhang geben. Doch teilte das Unternehmen auch mit, dass es in der fünften Etage seines Bürogebäudes Großkopierer gebe, die gelegentlich auch von Gästen benutzt würden. „Wenn recherchierende Journalisten in den Räumen der Gelsenwasser AG in Gelsenkirchen erscheinen, stellt ihnen die Pressestelle des Unternehmens auf Wunsch auch technische Ressourcen wie Kopierer oder Scanner zur Verfügung. Einblick in gescannte Dokumente und deren Weiterverarbeitung nehmen wir selbstverständlich nicht." Ein Anwalt versicherte, der Konzern verfolge in keiner Weise irgendwelche parteipolitischen Interessen.

Unbestritten ist, dass sowohl Steinkühler als auch Steinbrück geschäftlich mit dem Unternehmen zu tun hatten. Im Jahr 2011 beriet Steinkühler die Gelsenwasser AG, die eines der größten Trinkwasserversorgerunternehmen in Deutschland ist. Und Steinbrück hielt im März 2010 in der Konzernzentrale in der Gelsenkirchener Willy-Brandt-Allee einen mit 10.000 Euro honorierten Vortrag zum Thema „Kommunen und ihre Aufgaben in Zeiten knapper Kassen". Gelsenwasser wird von SPD-Kommunen beherrscht: Seit zehn Jahren gehört das Unternehmen den Stadtwerken Dortmund und Bochum. Bei den Stadtwerken der ebenfalls klammen Kommune Bochum hatte Steinbrück im November 2011 seinen mittlerweile berühmtesten Auftritt als Vortragsreisender. Dafür, dass er sich im Rahmen der Stadtwerke-Reihe „Atriumtalk" vor geladenen Gästen von einem ehemaligen Sportjournalisten befragen ließ, bekam Steinbrück seinerzeit 25.000 Euro.

Gerne wüsste man, ob Steinbrück-Berater Fäßler für das Unternehmen Gelsenwasser schon einmal beratend tätig war. Oder ob er etwas mit „Wir in NRW" zu tun hatte. Auch hier zieht es Fäßler vor, nicht zitiert zu werden.

Im Willy-Brandt-Haus, das heißt in jenen Teilen des Hauses, welche nicht im engeren Sinne zum Steinbrück-Team zählen, herrscht inzwischen - nein, nicht mehr helles Entsetzen, sondern einfach nur tiefe Resignation. Eine gemeinsame Grundstimmung Sigmar Gabriels und Andrea Nahles' - immerhin, möchte man sagen. Doch das wäre zynisch. Ende Januar, nach dem Wahlsieg Stephan Weils in Niedersachsen, hatte der Parteivorsitzende gesagt, ein Neustart des Kanzlerkandidaten sei nicht nötig, Fehler allerdings müssten vermieden werden.

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