Die Deutsche Flugsicherung (DFS) gilt als eher konservatives Unternehmen und doch zeigt sie, wie Facebook für Firmen funktionieren kann. "Weil der Himmel uns braucht", titelt sie auf ihrer Karriereseite in dem sozialen Netzwerk und knapp 10.000 Fans klicken auf Like, kommentieren jeden Eintrag, freuen sich über Weihnachtsgrüße und reichen Job-Ausschreibungen an ihre Freunde im Netzwerk weiter.
Die Aktivitäten der Fans zeigen: Die DFS ist auf Facebook inzwischen eine bekannte und beliebte Arbeitgeber-Marke. Ihr Jobangebot wirkt authentisch und erreicht die junge Zielgruppe potenzieller Fluglotsen-Azubis.
Genau daran scheitern die Personaler vieler deutscher Unternehmen. "Viele Firmen in Deutschland schöpfen die Möglichkeiten von Social Media bisher nur unzureichend aus", sagt Dennis Spillecke, Social-Media-Experte und Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey.
Nur jede siebte Firma nennt einen Ansprechpartner
Seine Beratung hatte für eine Studie im Frühjahr 2012 zweihundert deutsche Unternehmen befragt, das Ergebnis war ernüchternd: Insbesondere bei der Mitarbeiterwerbung verkennen zwei Drittel der befragten Firmen, welche Möglichkeiten soziale Netze bieten.
"Es ist gerade einmal bei einem Drittel der Unternehmen bisher Praxis, Xing, LinkedIn, Facebook oder Twitter zu nutzen, um Talente zu sichten und zu rekrutieren", sagt Spillecke.
Auch wenn viele deutsche Unternehmen mittlerweile in sozialen Netzwerken präsent sind, oft hapert es an der Umsetzung. "Wesentliche Dinge laufen regelmäßig schief selbst simple Formalia, die etwa bei Stellenanzeigen selbstverständlich sind, werden auf Facebook nicht beachtet", kommentiert Jan Kirchner, Social-Media-Berater bei der Hamburger Beratungsagentur Atenta.
Kirchner hat die Karriere-Auftritte auf Facebook von 281 Unternehmen im deutschsprachigen Raum untersucht und fand dabei erstaunliche Defizite: Nur jedes siebte Unternehmen etwa hält es überhaupt für notwendig, einen Ansprechpartner zu nennen.
Meist fehlt eine klare Zuständigkeit
"Damit zwingen die Firmen ihre Fans und potenziellen Bewerber zur Kommunikation mit einem anonymen Firmenlogo", sagt er. Knapp die Hälfte aller untersuchten Firmen reagiert gar nicht auf Interaktionsversuche und Nachrichten ihrer Fans, viele posten nur zwei Mal im Monat.
Es ist entsprechend wenig los auf den meisten Karriere-Auftritten deutscher Firmen: Die Fans rekrutieren sich allein aus Mitarbeitern und deren zwangsverpflichteten Familien und Freunden.
Solche Fehler resultieren meist aus Zuständigkeitsproblemen der Marketing- und der Personalabteilung eines Konzerns, stellt Kirchner fest: "Niemand fühlt sich so recht zuständig, trotzdem wollen alle mitreden und dann passiert erst einmal gar nichts."
Die Personaler fremdelten mit ihrer neuen öffentlichen Aufgabe, die direkte, schnelle Interaktion mit externen Fans passe zudem oft nicht zur Mentalität großer Personalabteilungen.
Marketing-Phrasen schaden im Web 2.0
"Umgekehrt geben die Marketingabteilungen die Kommunikation per Facebook nur ungern in die Hände unerfahrener Personaler schaffen es aber selber nicht, authentisch zu kommunizieren, weil sie die immer selben Marketing-Phrasen im Kopf haben."
Auch schreckt die Verantwortlichen, dass sie in den Netzwerken ihr Markenbild nicht mehr selbst bestimmen können, da die Nutzer zurückschreiben. "Die öffentliche Interaktion gehört immer noch nicht zur Lebensrealität der Entscheider sie ist ihnen grundsätzlich suspekt. Wenn dann auch noch der Firmenjurist mitmischen will, und jedes Posting abgesegnet werden muss, ist die Authentizität endgültig verloren", sagt Kirchner.
Um den Kontakt mit den Fans zu halten, reicht es der DFS oft, simple Vorgaben zu beachten. "Um eine Seite wie die unsere aufzubauen, müssen sie die Spielregeln und Konventionen des Mediums Facebook beherrschen", sagt Personalmarketing-Experte Florian Schrodt, der die DFS-Facebook-Seite aufgebaut hat.
Das heißt zum Beispiel: Die meisten Nutzer sind am späten Nachmittag und abends aktiv also muss dann auch Schrodt oder ein Kollege am Rechner sitzen und Antworten auf Fragen parat haben.
Dafür aber benötigen sie Handlungsfreiheit und müssen im Unternehmen so gut vernetzt sein, dass sie auch Fachfragen kompetent beantworten können. Schon bald nach dem Start entschieden sich Schrodt und Kollegen außerdem, ihre Gegenüber auf Facebook zu duzen. "Alles andere schafft Distanz", sagt Schrodt.
Eigene Inhalte zu posten ist wichtig
Dass die Verantwortlichkeiten klar verteilt sind ist wesentlich, damit die Karriereseiten nicht in den sozialen Netzwerken verstauben. "Es reicht ein kleines Team aber dieses Team muss innerhalb eines klaren Rahmens eigenständig und vor allem schnell handeln können", erklärt Karel Dörner, Social-Media-Experte bei McKinsey.
Um Authentizität zu gewährleisten, müssen die Social-Media-Macher eigene Inhalte posten, die ein realistisches Bild von der Arbeitswelt im Unternehmen vermitteln. "Der Hinweis auf die nächste Recruiting-Veranstaltung allein reicht nicht."
Der Einsatz von sozialen Netzwerken ändert für Unternehmen nicht nur die Kommunikation nach außen, auch die interne Verständigung wandelt sich. "Bislang herrscht bei vielen Arbeitnehmern in großen Unternehmen eine Art Versicherungsmentalität", sagt Nikolai Shulgin, Deutschland-Chef des russischen Software-Anbieters Bitrix.
"Entscheidungsprozesse werden verschleppt, in dem sie hundertfach per Massenmailing und Chef im CC abgesichert werden." Shulgin und seine Kollegen wollen diese Prozesse durch den Einsatz ihres sozialen Netzwerks Bitrix vereinfachen: Statt E-Mails hat jeder Arbeitnehmer eine Homepage, auf der seine Aktivitäten ersichtlich sind.
Last auf den Mailserven sinkt
Aufgaben werden über das Netzwerk zugeteilt, Dokumente mit den Profilen der Zuständigen verknüpft. Hier werden die Vorteile sozialer Netzwerke greifbar. Shulgin sagt: "Das Resultat ist erstaunlich: Die Last auf den Mailservern sinkt um 90 Prozent, gleichzeitig aber werden Entscheidungen und Zuständigkeiten transparenter."
Wer Zustimmung zu einem Posting verkünden will, klickt ähnlich wie bei Facebook auf "Gefällt mir". Informationen werden nicht mehr an ausgewählte Insider per Mail verschickt, sondern offen geteilt, es wird gechattet statt gemailt. "So ändert sich die Informationsverteilung im Unternehmen fundamental: Plötzlich ist jeder selbst dafür verantwortlich, sich zu informieren."
Die Idee ist nicht neu, neben Bitrix bieten auch Giganten wie SAP seit einiger Zeit soziale Netzwerke fürs Unternehmen an. Doch Bitrix hat der Konkurrenz seit dem Herbst ein Online-Angebot voraus: Bitrix24 heißt eine cloudbasierte Lösung, mit der auch kleine 20-Mann-Unternehmungen den Service nutzen können, ohne eigens einen Server dafür abzustellen.
"20.000 Unternehmen haben sich seit dem Start dafür registriert", freut sich Shulgin. "Der Erfolg zeigt: Die Idee der sozialen Online-Interaktion jenseits der Mail ist inzwischen auch in kleinen Firmen angekommen."
- Keine Auswirkung
Prof. Christoph Beck, Fachbereich Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Koblenz:
Die wenigsten Personaler haben die Zeit, nach einer Person im Internet zu recherchieren. Und selbst wenn sie es tun, bleibt die Schwierigkeit, die im Shitstorm formulierten Empörungen zu bewerten. Immerhin hat man es in diesem Fall mit Meinungsäußerungen innerhalb eines oft gleichgesinnten Netzwerkes zu tun, wo zunächst unreflektiert die Meinung der anderen übernommen und geleitet wird. Mit Blick auf die Einstellungschancen dürfte sich eine solche negative Reputation Stand heute wenig bis gar nicht auswirken. Anders sind aber sicherlich die Spätfolgen, wenn zukünftige Kollegen nach dem Online-Ruf des Neuen recherchieren. Interessant wird wohl die Entwicklung sein, wenn Mitarbeiter sich künftig anonym über Vorgesetzte empören oder Geschäftsführer und Vorstände von einem Shitstorm betroffen sind.
- Professionelle Profile
Jürgen Hesse,Autor und Berater, Büro für Berufsstrategie, Berlin:
Schon Goethe wusste: Guten Ruf musst du dir machen." Im modernen Medienzeitalter sollten Bewerber wissen, welche Ergebnisse die Internet-Suchmaschinen zum eigenen Namen auflisten. Im Idealfall unterstützen diese Informationen dann die Angaben im Bewerbungsprozess. Durch professionelle Profile in Business Communities, besonders prämierte Arbeitsproben, lobende Erwähnungen ehrenamtlichen (sozialen) Engagements oder auch sportlicher Aktivitäten und Erfolge bis hin zu klugen Beiträgen in ausgewählten Foren, entsteht der imagebildende Prozess. Auf diese Weise erscheint die Selbstdarstellung des Bewerbers noch authentischer und vertrauenswürdiger. Dagegen sind alle sehr (und zu) privaten Neigungen und extreme Einstellungen, Meinungen und Urteile absolut kontraproduktiv und zu vermeiden.
- Integrity Assessments
Michael Proft, Partner bei der Unternehmensberatung Odgers Berndtson, Frankfurt:
Bei der persönlichen Reputation eines Kandidaten zählen die gleichen Kriterien, die bisher immer gegolten haben: Seriösität, Integrität und Authentizität. Heute ist zum einen die Datenlage transparenter, und zum anderen werden Integrity Assessments mehr und mehr üblich oder sogar von den Compliance-Richtlinien der Unternehmen gefordert. Diese Richtlinien schreiben vor, dass eine Führungskraft nicht in Konflikt mit den Interessen des Unternehmens stehen darf. Hierzu recherchieren wir selbstverständlich Informationen im Internet und prüfen diese auf mögliche Konflikte. Eine schlechte Presse" oder halbseriöse Bilder sind hier natürlich genauso wenig überzeugend wie Beteiligungen der Ehefrau an Unternehmen des Wettbewerbs oder schlechte Kreditauskünfte.
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